Jeder gegen jeden – und niemand ist sicher

Trotz dünnem Plot hat der Actionthriller «Safe House» mehr zu bieten als mancher Artgenosse: eine stupende Optik, einen speziellen Schauplatz – und einen strahlenden Denzel Washington.

 

von Sandro Danilo Spadini

Es ist ein superdicker Fisch, der im US-Konsulat zu Kapstadt Zuflucht vor gar grimmigen Schergen sucht: Der ehemalige CIA-Agent Tobin Frost (Denzel Washington) wird wegen Spionage auf stattlichen vier Kontinenten gesucht und ist einer der «berüchtigsten Verräter» der amerikanischen Geheimdienst-Geschichte.  Was Tobin Frost auch ist: ein verdammt cooler Hund. Denn wäre er eine Katze, so hätte er seinen Vorrat an Leben bereits nach den ersten fünf Minuten des Thrillers «Safe House» aufgebraucht. Aber eben: Tobin Frost ist kein Typ zum Kuscheln, und wo er ist, da ist mächtig was los. Just das wünscht sich am ruhigeren Ende der Stadt der vielleicht ein bisschen leichtgläubige und jedenfalls sehr charakterstarke CIA-Mann Matt Weston (ein effektiver Ryan Reynolds). Dieser noch nicht 30-jährige Yale-Absolvent harrt nämlich seit zwölf Monaten als «Hausverwalter» in einem gesicherten Versteck des US-Geheimdiensts aus und starrt «den ganzen Tag die Wände an». Wie er da Erfahrungen sammeln soll, jammert er noch – und bekommt dann gleich Besuch von den Kollegen und dem verschnürten und unausgepackten Infopaket Frost, was ihm dann doch die eine oder andere Gelegenheit eröffnet, seinen Erfahrungsschatz zu optimieren.

Allein mit dem Psychospieler

Etwas mehr Action im Leben ist sicherlich ein Wunsch, auf den Matt noch vor seiner ersten Frost-Beule gerne zurückkommen würde. Denn längst hat sich sein «Safe House» als ziemliche Lotterbude erwiesen, die recht problemlos von einem Killerkommando gestürmt werden konnte. Dabei wurde zwar auch manch einer der rabiaten Eindringlinge über den Haufen geschossen; vor allem aber wurde der eben noch munter waterboardende CIA-Trupp ratzeputz von der Bildfläche geballert. Grünschnabel Matt ist daher einstweilen auf sich alleine gestellt, und er will bestimmt nicht «der Typ sein, der Tobin Frost verloren hat». Doch das ist nun weiss Gott einfacher sich eingeredet als umgesetzt, droht auf der Flucht durch die Stadtschluchten doch von überall her Gefahr – sowieso auch vom Psychospiele zelebrierenden Gefangenen/Gefährten Frost und ebenso von der tendenziell korruptionsdurchlöcherten CIA. Ach, was heisst da «tendenziell»? Dass sich am Ende einer von Matts Chefs (Sam Shepard, Brendan Gleeson, Vera Farmiga) als falscher Fuffziger erweisen wird, das steht dem angespannt-muskulösen und immer todernsten Film vom Start weg über die Leinwand geschrieben. Und auch ansonsten ist das Drehbuch von Debütant David Guggenheim nicht gerade ein Quell der Imagination. Doch dass der finale Twist so absehbar ist, wie das zuvor Erzählte austauschbar war, stört hier kaum; schliesslich hat «Safe House» mit dem heissspornigen schwedischen Jungspund Daniel Espinosa einen überaus präsenten Regisseur, der eine grosse Tüte Augenfutter kredenzt. Grobkörnig und ausgebleicht sind die Bilder des zappeligen Kameramanns Oliver Wood, zerhackt und zerschnitten wurden sie vom geradeso nervösen Cutter Rick Pearson, und so vereinnahmend wie durchschüttelnd ist das visuelle Erlebnis insgesamt. Der Einwurf, dass die Herren Wood und Pearson auch bei der redbulligen «Bourne»-Reihe ihre flinken Finger im Spiel hatten, kann einen dann nicht wirklich in Erstaunen versetzen.

Taufrischer Denzel

Daniel Espinosa verbucht für sich indes mehr als nur ein superbes Gespür für Farb- und Bildkomposition. Besonders auch wenn es aufs Auge gibt, gibt es was fürs Auge: Furios dirigiert und choreografiert sind die Prügelorgien und Verfolgungsjagden, die sich mal auf dem engsten Raum einer Baracke im Langa-Township, mal downtown im weiten Rund des rappelvollen Green Point Stadium zutragen. Die Schauplätze sind ohnehin ein extra Trumpf von «Safe House», doch deren grösster ist fraglos Denzel Washington. Den taufrischen 57-Jährigen kann man, wenn man mag, ja als Actionstar bezeichnen; doch sind die Filme, mit denen er sich diese Klassifizierung einhandelt, immer mehr als reine Actionstreifen: Sie sind auch grosses Schauspielerkino, das in so günstigen Fällen wie diesem hier aus einer scheinbar kommunen Affiche ein nachwirkendes Ereignis macht.