Kein Platz für Romantik in einem Sturm ohne Ende

Regisseurin Andrea Arnold reduziert Emily Brontës Klassiker «Wuthering Heights» auf seine Essenz und prügelt eine hassgetriebene Liebesgeschichte auf die Leinwand.

 

von Sandro Danilo Spadini

Ganz so oft wie Charlotte Brontës «Jane Eyre» wurde «Wuthering Heights» von deren Schwester Emily zwar noch nicht verfilmt – aber jetzt immerhin auch schon 15 Mal. Jene nun vorliegende Version der neuen englischen Regieheldin Andrea Arnold («Red Road», «Fish Tank») ist freilich anders. Denn Arnold übt sich in der etwas ausser Kinomode geratenen Disziplin der Neuinterpretation klassischer Stoffe. Und dass sie dabei den Helden Heathcliff mit schwarzen Darstellern besetzt, ist noch nicht mal die grösste Sensation; schliesslich ist die Figur schon bei Brontë «ein dunkelhäutiger Zigeuner». Ein Wagnis ist diese Adaption vielmehr deshalb, weil Arnold hier die Vorlage in den Schwitzkasten nimmt und mit ungestümer Kraft und bisweilen roher Gewalt die Essenz aus ihr rauspresst. Reduzierend und modernisierend, prügelt sie Bilder von widerborstiger Schönheit und urwüchsiger Kraft auf die Leinwand: kantig und kernig, ungekünstelt und unbearbeitet. Klassikerverfilmung und Sozialrealismus: Arnold vermählt in «Wuthering Heights» ästhetisch wie auch inhaltlich zwei grosse Traditionen des britischen Kinos – wobei sich das Ergebnis mit seiner zeitgenössischen Sprache und den vorgestrigen Kostümen mitunter wie eine Zwangsheirat ausnimmt. Das jedoch ist durchaus gewollt so. Unharmonisch und ungemütlich soll es hier sein, ohne Zärtlichkeit, ohne Freude: Eine der grössten Liebesgeschichten aller Zeiten wird als eine Zweckverbindung gezeigt, die vor allem auf gemeinsamem Hass auf das Umfeld gedeiht.

Eine Art Komplizenschaft

Noch nicht mal für unschuldig kindliche Romantik ist Platz in dem schlicht grandios fotografierten Film, wiewohl die ganze Auftaktstunde den erst halbwüchsigen Heathcliff und Cathy (erstmals: Solomon Glave und Shannon Beer) gehört. Schon der Anfang ist brutal: wenn Cathy den noch namenlosen schwarzen Findeljungen anspuckt, den ihr Vater (Paul Hilton) in Liverpool aufgelesen und aus christlichem Pflichtgefühl heimgebracht hat in das weite, windige, unwirtliche Hochmoor in Yorkshire. Hier, fern der modernen Zivilisation und in menschenleerer Isolation, erhält der meist stumme oder fremdländisch brummelnde Bub nicht nur seinen Namen, sondern auch ein Heim: mit dem zwar frommen, aber nicht frohen Vater, der ihn als Arbeitskraft nutzt; dem Skinhead-Sohn Hindley (Lee Shaw), der ihn schlägt und «Nigger» schimpft; und eben der Tochter Cathy, deren anfängliche Abneigung bald umschlägt in eine Art Komplizenschaft. Das Aussenseitertum der beiden Seelenverwandten akzentuiert sich noch, wenn der Vater stirbt und sie verstärkt unter Hindleys Knute geraten. Derweil Cathy mittels Heirat in ein gutes Haus den Weg auf die Gesellschaft zu wählt, tritt Heathcliff enttäuscht ob des Liebesentzugs die Flucht an. Nach drei Jahren kehrt er als gemachter Mann wieder, und der Film geht mit neuem Personal (James Howson und Kaya Scodelario) und unter einem gewissen Stringenzverlust in seine zweite Halbzeit (in der die zweite Buchhälfte wie in den meisten Verfilmungen aber ausgespart bleibt).

Das Innere im Äusseren

Diese Schlussstunde ist nun optisch wohl etwas freundlicher, da sich das Geschehen zusehends vom sturmumtossten Bauernhaus in der Höh hinunter zum sonnendurchfluteten Anwesen im Tal verlagert. Doch die Figuren sind unvermindert hart und mürbe; und ihr Inneres nach aussen zu kehren, das versteht Arnold ungleich besser als alle, die sich vor ihr und in traditioneller Manier dieses Stoffes annahmen. Denn sie kriegt das nicht mit Dialogschwallen hin, sondern mit rein visuellen Mitteln: der wackligen Handkamera, die Unstabilität vermittelt; dem Verzicht auf Widescreen, der das Klaustrophobische verstärkt; und den extremen Nahaufnahmen, die Intimität verströmen. Vieles überlässt Arnold auch den natürlichen Kräften. So verzichtet sie auf künstliche Lichtquellen ebenso wie auf Musik und vertraut stattdessen auf Sonne und Feuer, Wind und Wetter. Und wenn es stürmt – was es in dem deutsch «Sturmhöhe» betitelten Werk fast ohne Ende tut –, dann nicht akkurat arrangiert, sondern laut und wild. Aber nur so laut und wild, dass man das wütende Wehklagen Heathcliffs und Cathys noch hört und spürt.