Zu Hause ist es einfach am furchtbarsten

Charlize Theron schnoddert alles in Grund und Boden, wenn sie in der Tragikomödie «Young Adult» ihr Heimatkaff heimsucht, um eine alte Flamme zurückzuerobern.

 

von Sandro Danilo Spadini

Zusammen schufen sie mit «Juno» einen der erfrischendsten Filme der letzten Jahre, jetzt sind sie wieder vereint: Drehbuchautorin Diablo Cody und Regisseur Jason Reitman. Eine fantastische Aussicht ist das und in der Tat dann auch ein sehr freudiges Ereignis. Doch die Academy muss hier Spielverderberin spielen. Kleinlich und knausrig zeigte sie sich und wollte für «Young Adult» noch nicht mal eine einzige Oscar-Nominierung springen lassen. Gebührt hätte solch Ehre freilich gleich mehreren Exponenten dieser Tragikomödie. Nicht zuletzt Charlize Theron, dem fulminanten Epizentrum des meist böse komischen und bisweilen bitter tragischen Geschehens. Wie ein Tornado fährt ihre Mavis Gary ein in ihre stinkfade Heimatstadt Mercury, Minnesota, mit der grossen Sonnenbrille, dem Hello-Kitty-Shirt und dem roten Mini Cooper. Ein Ausbund an modernem urbanem Leben, ein schnoddriges It-Girl, das den Sprung in die grosse Stadt geschafft hat, nach Minneapolis, wo wir sie in der musik-, freud- und schmucklosen Auftaktsequenz antreffen. Verkatert, gelangweilt, offenkundig mit einem Riesen-Anschiss vor dem Computer, auf dem sie eine E-Mail erblickt, die ihr gar nicht gefällt: eine Geburtsanzeige, versendet von ihrem Ex Buddy (Patrick Wilson).

Populär, aber arrogant

Von Anfang an ist Charlize Theron dieser komödiantisch verheissungsvolle Leckt-mich-am-Arsch-Ausdruck ins Gesicht geschrieben, nicht unähnlich Paul Giamatti in der nicht unähnlichen ersten Szene von «Sideways». Und nie je in den folgenden 90 Minuten lässt sie einen Zweifel daran, dass diese Mavis grundverscheiden ist von der herkömmlichen amerikanischen Filmfrauenfigur. Gleich wie so überaus viele von Hollywoods liebreizenden «leading ladies» ist sie zwar Kinderbuchautorin. Doch um genau zu sein, schreibt sie für «young adults», junge Erwachsene, und um ehrlich zu sein, macht sie das nicht aus Kinderliebe, sondern einfach so und durchaus mit selbsttherapeutischen Absichten: In ihrer Schreibe lässt sie nämlich ihre «besten Jahre» aufleben, indem sie sich mit der allseits bewunderten jugendlichen Heldin identifiziert. Und schwer fällt die Vorstellung tatsächlich nicht, dass Mavis in der Highschool äusserst populär war, damals, als sie mit Buddy zusammen war. Und weil sie jetzt so verloren ist und unter der unvermindert hübschen Schale so versehrt, sehnt sie sich zurück: nach Halt, nach Orientierung – nach Buddy. Wiewohl frei von nostalgischem Schmus, taucht sie tief in die Vergangenheit mit ihrer Rückkehr nach Hause – und ist voll wahnhafter Hoffnung: Überzeugt, Buddy sei eine «Geisel» und «eindeutig nicht glücklich», rüstet sich die allzu trinkfreudige Diva für die Rückeroberung. Und sieht dabei nicht, dass aus Buddy ein von Mercurys vermeintlicher Veränderung begeisterter Langweiler geworden ist, der aus Solidarität mit der stillenden Gattin (Elizabeth Reaser) nicht nur den Wiedersehensdrink verschmähen wird.

Lädiert, aber schlagfertig

Es ist eine längst lästige Tradition im US-Kino, dass in Filmen mit dieser Prämisse der Stadt-Land-Konflikt bis aufs letzte Klischee und den letzten Kalauer exerziert wird. Diablo Cody jedoch, die Minnesota aus ihren Tagen als Stripperin kennt, macht sich weder über die Biederkeit des einen noch die Kaputtheit der anderen lustig – oder über beides höchstens ein bisschen. Wenn Mavis in «Woody’s Village Saloon» auf Saufkumpan Matt (wundervoll: Patton Oswalt) ihre Tiraden auf das Leben in Mercury niederlässt, ist das wohl zum Schiessen; doch täuscht ihr Zynismus nicht darüber hinweg, dass sie so lädiert ist wie der seit Jugendzeiten an Krücken gehende Matt, den sie früher verachtet hat. In gewisser Weise erinnert Mavis in ihrer selbst gewählten Isolation an George Clooney in Reitmans letzter Regiearbeit «Up in the Air». Und wie dort wird einem trotz Katharsismoment auch hier die finale Moralpredigt erspart. Es steckt in «Young Adult» also so viel Reitman wie Cody: Die Inszenierung mag weniger verspielt sein als in «Juno», und die Dialoge haben nicht dasselbe furiose Stakkato; dafür ist dieser politisch ebenso inkorrekte Film noch aufrichtiger und ungeschminkter. Und das hätte einen ganzen Sack Oscar-Nominierungen verdient gehabt.