Guter Rat ist jetzt teuer, Herr Anwalt

Ridley Scott verfilmt Cormac McCarthy: Was wie ein Cineastentraum klingt, entpuppt sich im top besetzten Drogenthriller «The Counselor» als so geschwätzige wie langfädige Sache.

 

von Sandro Danilo Spadini

Das schaut nach einem richtig dreckigen Thriller aus, was wir da anfangs in Ridley Scotts «The Counselor» zu Gesicht kriegen. Vielleicht etwas im Stil von Oliver Stones «Savages». Oder besser noch: des Oscar-Vehikels «No Country for Old Men», das ja ebenfalls aus der Feder des amerikanischen Pulitzer-Preisträgers Cormac McCarthy stammt. Sex, Drugs and Crime im Süden scheint jedenfalls auch hier Programm zu sein: beginnend mit einem vielsagenden Blick auf die amerikanisch-mexikanische Grenze im drogenverruchten Juárez, wo letztes Jahr 3000 Menschen getötet wurden, wie wir noch erfahren werden; weiter mit einem erotischen Stelldichein zwischen Michael Fassbenders bloss Counselor («Anwalt») genannter Hauptfigur und deren von Penélope Cruz gemimtem Schätzchen Laura; und abgerundet von einer Jagdszene mit Javier Bardems natürlich ulkig frisiertem öligem Protzbonzen Reiner und Cameron Diaz‘ leopardentätowierter goldzahniger Gangsterbraut Malkina. Damit sollte das von leeren Strassen durchschnittene Feld nun bestellt sein, es könnte jetzt losgehen – der Handlungsfluss ist mit einem quer in der staubigen Landschaft stehenden Trip nach Amsterdam zum Diamantenshopping bei Bruno Ganz schliesslich schon genug strapaziert worden.

Mit Pitt und ohne Pep

Doch in die Gänge kommt diese Geschichte noch lange nicht. Stattdessen wird jetzt erst mal palavert und philosophiert – und das selten auf einem Niveau, das der Reputation des Autors entspräche, sondern meist so, wie das seit Tarantinos Anfängen vor 20 Jahren für Filme wie diesen erschöpfender Standard ist. Jedenfalls überzeugt der Counselor seine Laura vom Heiraten; Reiner erzählt ihm umständlich von Chancen und Risiken des Drogengeschäfts; und ein ganz in Weiss gewandeter Brad Pitt schafft es trotz eindeutiger Worte dann auch nicht, den Counselor davon abzuhalten, in einen Deal mit dem mexikanischen Kartell einzusteigen. Nun aber könnte es, bitte sehr, doch wirklich und endlich losgehen. Aber nichts da, nein, es wird noch etwas geplaudert und getändelt: Reiner schildert, wie Malkina einst «meinen Bentley gevögelt» hat; der Counselor besucht eine Klientin (Rosie Perez) im Knast; Malkina wiederum triezt als Nicht-Katholikin bei der Beichte den Priester mit ihren Sexgeschichten. Und dank Szenen wie diesen, die überhaupt nichts zur Sache tun, merken wir allmählich, dass es hier wohl nie richtig losgehen wird. Weiteres Beispiel gefällig? Gegen Ende hin dürfen wir einem uns Unbekannten, der gerade zwei uns kaum Bekannte gekillt hat, beim Schnitzen zusehen. Das fertigmodellierte Stück Holz stopft er in ein Einschussloch in dem von ihm gekaperten Truck. Später versiegeln fleissige Helfer das Loch mit Mörtel. Und wir sind einfach dankbar, dass Ridley Scott diesen nicht auch noch beim Trocknen filmt.

Viel Geduld und wenig Lohn

Aber das erste Originaldrehbuch des 80-jährigen Cormac McCarthy bietet auch Ruppigeres. Denn selbstredend darf bei diesem Thema (Mexiko! Drogen!) und diesem für seinen drastischen Naturalismus berüchtigten Autor die Gewalt nicht zu kurz kommen. Mit dessen markenzeichenhafter Freude an Schock und Schauer werden, als alles erwartungsgemäss schiefgelaufen ist und der Counselor keinen Rat mehr weiss, auch hier krudeste Tötungsmethoden zelebriert. Dies tendenziell zur Untermauerung einer Aussage von Pitts Figur über die Schergen des Kartells: «Das ist eine andere Spezies!» Der Handlung dient freilich auch das nicht so sehr. Die bleibt seltsam nebensächlich, was eigentlich Zeit genug für eine sorgfältige Zeichnung der Figuren liesse. Doch von diesen erfährt man vor lauter Schlaumeiereien ausser der gelegentlichen Schlüpfrigkeit auch nichts. Die Stars halten sich da entsprechend zurück: Derweil die drei Männer sicher noch solide spielen, zieht Cruz ihre Schulmädchen-Routine durch und versucht sich Diaz manch Luder-Mätzchen abzuringen. Viel Geduld erfordert «The Counselor» also – und wer sie aufbringt, wird keineswegs belohnt. Bei jenen, die wie McCormack und Scott zur Drastik neigen, dürfte am Ende denn noch ein anderer Satz von Pitt nachhallen: «Ich habe alles gesehen. Es ist alles Scheisse.»