Die Welt sicherer machen – aber zu welchem Preis?

In seiner letzten Rolle strahlt Philip Seymour Hoffman nochmals im Kino-Olymp. In der unterkühlten John-le-Carré-Verfilmung «A Most Wanted Man» gibt es aber noch mehr zu sehen.

 

von Sandro Danilo Spadini

Dass die Terrorbekämpfung mehr im Schatten und in Graubereichen stattfindet, ist zwar kein allzu gut gehütetes Geheimnis mehr; so deutlich und trocken wie Romanautor John le Carré und der niederländische Regisseur Anton Corbijin in «A Most Wanted Man» hat das indes noch selten jemand zum Ausdruck gebracht: Weder offiziell noch legal sei das, was er tue, lassen sie ihre Hauptfigur sagen – ohne dabei jedoch den Stab zu brechen über Günther Bachmann (Philip Seymour Hoffman) und seinen Kollegen (u.a. Daniel Brühl und, prächtig mit Hofmann harmonierend, Nina Hoss). Bachmann arbeitet im seit Mohammed Atta und 9/11 scharf beobachteten Hamburg und ist Chef einer Anti-Terror-Einheit, «von der nicht viele Menschen wissen und die noch weniger mögen»: ein mit allen Wassern gewaschener und in mancher Schlacht geschlagener Spion, der ob allem, was er erlebt hat, wohl hart, nicht aber zynisch geworden ist. Er raucht aber zu viel, trinkt noch mehr, und so blass und wächsern sieht er aus, dass es einen im Wissen um den Drogentod Hoffmans immer wieder durchschüttelt. Viel öfter freilich tut es einen das kraft des Spiels dieses Giganten, der noch einmal strahlt im Kino-Olymp und eine Präsenz markiert, die weit über das Körperliche hinausgeht. Mit dezentem deutschem Akzent nimmt er diese unwahrscheinliche letzte Hauptrolle an, verleibt sie sich ein, geht in ihr auf; und im Nu kauft man ihm trotz anfänglicher Skepsis und gewöhnungsbedürftiger Konstellation auch den deutschen Geheimdienstler ab, der zwar nicht um unsere Sympathien wirbt, aber trotzdem zur Identifikationsfigur und einer Art moralischem Kompass wird.

Viele Schlüsselfiguren

Hoffman ist indes beileibe nicht das einsame Glanzlicht in dieser so unterkühlten, bisweilen tiefgefrorenen Geschichte. Kompliziert ist sie, dafür aber umso aufschlussreicher, folgt sie doch gleich einem halben Dutzend – durchweg toll verkörperter – Schlüsselakteure. Im Fokus des Geheimdienst-Interesses steht der junge tschetschenische Flüchtling Issa (Grigoriy Dobrygin), den Bachmann für einen Jihadisten hält, der aber nur «ein ehrenwertes Leben» in Hamburg führen möchte. Dabei helfen würde ihm jene stattliche Summe, die sein toter Vater in einem Safe deponiert hat bei Privatbankier Brue (Willem Dafoe – und als seine Frau: Ursina Lardi!). Issa zu seinem Recht verhelfen will Flüchtlingsanwältin Annabel (Rachel McAdams), die für Bachmann freilich nur eine «Sozialarbeiterin für Terroristen» ist. Für einen solchen hält er auch den allseits angesehen muslimischen Philanthropen Dr. Abdullah (Homayoun Ershadi), den er mithilfe des verstörten Issa entlarven will. Und dabei kommen dann auch noch die Amerikaner in Person von CIA-Agentin Sullivan (Robin Wright) ins Spiel – was Bachmann gar nicht gefällt. Corbijn folgt all ihnen auch in seinem Drittling zu Herbert-Grönemeyer-Klängen mehr oder weniger weit ins Private und die Einsamkeit hinein; und mit dem Auge des Fotografen, der er eigentlich ist, entdeckt er dabei manch speziellen Schauplatz und schafft so mit dem herbstlichen Hamburg einen weiteren Protagonisten.  

Kunstlicht und Grautöne

Schon im Vorgänger «The American» war jedes Bild ein kleines Kunstwerk, gezeichnet mit einer eigenständigen Handschrift. Im industriellen Chic Hamburgs funktioniert das nun ebenso gut wie in der Rauheit der ruralen Abruzzen. Kühl und klar ist Corbijns Bildsprache erneut, die Sonne scheint nie, Glas und Metall glänzen im Kunstlicht, vieles spielt sich nachts ab. Und vieles spielt sich generell ab, was ein zentraler Unterschied zum zähen Vorgänger ist. Zwar interessieren sich Corbijn und le Carré mehr für ermittlungstechnische Abläufe und finanzielle Verstrickungen als dafür, wie Terrorismus entsteht und wie er ausgeführt wird; und die Protagonisten sind Bürokraten und Hintermänner statt Agenten im Feld und Attentäter, weshalb hier mehr mit Worten denn mit Waffen gekämpft wird. Aber spannend ist das dank der Paranoia-Stimmung und der Grautöne in der Wertung gleichwohl – und psychologisch vertieft, philosophisch bedenkenswert, politisch aufschlussreich obendrein. Dass dies nun aber die letzte neue Rolle von Philip Seymour Hoffman gewesen sein soll – dieser Gedanke bleibt unerträglich.