von Sandro Danilo Spadini
In neun Jahren kann eine Menge passieren. Bruce Willis etwa hat während dieser Zeit in 28 oft entbehrlichen Filmen mitgespielt. Mickey Rourke wiederum ist aus den Trümmern seines Daseins
auferstanden, hat einen Golden Globe und fast einen Oscar gewonnen und ist dann wieder in die Obskurität entschwunden. Und Jessica Alba hat weiterhin so hartnäckig wie erfolglos versucht, doch
noch den grossen Durchbruch zu schaffen, und sich schliesslich aufs Kinderkriegen verlegt. Nun aber sind sie alle wieder da, wo sie vor einem runden Jahrzehnt schon einmal waren: an der Pforte
zur «Sin City» und damit schon knietief in jenem Sündenpfuhl, in dem damals Regiedesperado Robert Rodriguez basierend auf Frank Millers Hardboiled-Comics ein mörderisches Spektakel und eine
filmische Revolution anzettelte.
Viel Schall, viel Rauch
Der Lack des Neuen, der diesen Bastard aus Film noir und Grafic Novel unter all dem Schwarzweiss so hell leuchten liess, ist nach den neun langen Jahren freilich ab – es wirkt das hier ein wenig
so, wie wenn jemand am selben Abend einen Brüllerwitz noch ein zweites Mal erzählt. Und so fällt es in «Sin City: A Dame to Kill For» mangels formalen Aha-Erlebnisses ungleich schwerer ins Gewicht, wenn Rodriguez und Miller ziemlich
ziellos durch ihre halb animierte Sündenstadt streifen. Zwar veranstalten sie ihre expressionistische Orgie aus Sex und Crime in visuell so atemberaubender Manier wie ehedem und diesmal sogar in
3-D; doch das ändert auch nichts daran, dass das Ganze noch oberflächlicher und substanzloser als der Vorgänger ist und statt entfesselt nur noch überhitzt wirkt. Zur Grundlage hat das neue
Abenteuer um Stripperin und Amazonen, Schnüffler und Outlaws das zweite Buch der «Sin City»-Reihe; dazu kommen eine Episode aus dem fünften Band und zwei Geschichten, die Frank Miller eigens für
den Film geschrieben hat. Erzählt sind die im Sinne einer Rundschau aneinandergereihten Storys alle schnell: Nebst den Rückkehrern Willis, Rourke und Alba, die in den kleineren Plots ihr Unwesen
treiben, gibt es noch den übermütigen Spieler Johnny (Joseph Gordon-Levitt), der den korrupten Senator Roark (Powers Boothe) reizt; und einer mindestens so schlechten Idee verfällt der
problembeladene Privatdetektiv Dwight (Josh Brolin): Er lässt sich in der Hauptgeschichte von der titelgebenden «Dame» breitschlagen, sie aus den Klauen ihres brutalen Bonzengatten zu befreien –
wobei es von gesteigerter Bedeutung ist, dass es sich bei ihr um seine wieder aufgetauchte Ex Ava (Eva Green) handelt und «Dame» im Englischen auch Frauenzimmer bedeutet. Im Zuge all dessen gibt
es viel Ach und viel Krach, viel Schall und viel Rauch, mehr Haut und mehr Blut, mehr Noir und mehr Pulp – oder anders gesagt: Barbusigen Bienen liegen brummige Bären zu Füssen und fliegen blaue
Bohnen um die Ohren. Bullen beginnen zu saufen und lassen sich kaufen. Grünschnäbel werden rein- und Unschuldslämmer flachgelegt. Weicheier werden zu Brei geschlagen und Raubeine in Stücke
gekloppt. Schimpfkanonaden zielen aufs Mark und Stielaugen aufs Bein. Herzen werden entzweigebrochen und bisweilen auch herausgerissen.
Nicht bestellt, nicht abgeholt
Es gibt in der sündigen Stadt – abgesehen von den mit Schmackes auf die Leinwand geschmetterten Auftritten der Neuankömmlinge Brolin und Green – also kaum Frisches zu entdecken. Was sich
gegenüber dem ersten Besuch dort vor neun Jahren geändert hat, ist bloss das Interesse des Publikums: Dieses war schon beim so wichtigen Startwochenende in den USA vor rund vier Wochen nur
rudimentär vorhanden. Überhaupt scheint es so, als sei ausser den Stars und den Gastspielern (u.a. Christopher Lloyd und Lady Gaga) niemand wirklich hungrig nach mehr monochromem Augenfutter und
scharf auf diesen nihilistischen Höllenritt gewesen: Das Marketing ist lieblos und wirkt so, als habe man den Flop schon einkalkuliert und abgeschrieben; und Rodriguez und Miller hat wohl der
holprige Entstehungsprozess des zuerst auf Ende 2006 terminierten Projekts dermassen zugesetzt, dass sie nun gar nicht mehr wissen, was sie hier eigentlich tun sollen.