Wenn ein Kiffer wachgeküsst wird

Die schlecht ausbalancierte Actionkomödie «American Ultra» hat nichts zu sagen und wenig zu bieten. Aber immerhin präsentiert sie ein neues junges Hollywood-Traumpaar.

 

von Sandro Danilo Spadini

Einen Stoner: So nennt der Amerikaner einen wie den Typen von «American Ultra». Der Stoner ist ein Vollzeit-Kiffer. Er hängt gerne rum. Er tut am liebsten nichts. Er ist ein durch und durch ambitionsloses Wesen. Und weil der Stoner beim Nichtstun nichts Böses tut und er wenn nicht pures Gold, so doch wenigstens irgendwas Bronzehaltiges im Herzen hat, mag man ihn generell gut leiden. In Hollywood mag man ihn gar so sehr, dass man ihm sein eigenes Genre gönnt: das Stoner-Movie. Nach gängiger Definition zeichnet sich dieses vor allem dadurch aus, dass sich seine (Komödien-)Handlung «um den Konsum von Marihuana dreht». Mit anderen Worten: Die ganz grossen Ambitionen hegt auch das Stoner-Movie nicht. Und so ist es die lässige Eigenheit dieses Genres, noch keinen waschechten Klassiker hervorgebracht zu haben.

Der Superheld vom Supermarkt

Immerhin: Mit der Coen-Legende «The Big Lebowski» und Paul Thomas Andersons «Inherent Vice» gibt es zwei Perlen, die Elemente des Stoner-Movies aufnehmen. Die primären Referenzpunkte der Herren Nima Nourizadeh und Max Landis waren sie trotz gewisser Plot-Parallelen allerdings nicht, hoffentlich nicht. Das Vorbild für ihren Stoner-Actionfilm-Verschnitt «American Ultra» dürfte eher ein Streifen wie «Pineapple Express» sein; mit selbigem teilt der Zweitling von Regisseur Nourizadeh («Project X») und Schreiber Landis («Chronicle») jedenfalls die Vorliebe für den rauen Radau. Ebendiesen hat unser Stoner mit Namen Mike (Jesse Eisenberg) bis dato stets gemieden. Als er sich uns vorstellt, redet er denn auch über etwas ganz anderes. Darüber, dass sie das perfekte Verliererpaar gewesen seien: «Also ich war der Verlierer, und sie war perfekt.» Er redet also über seine Fast-Verlobte Phoebe (Kristen Stewart), der er eigentlich auf Hawaii einen Antrag hatte machen wollen. Aber dann hat er am Flughafen eine Panikattacke erlitten, und sie sind in Liman, West Virginia, geblieben. In dieser tristen Kleinstadt arbeitet, nun ja, «arbeitet» Mike als Kassier in einem Supermarkt, was ihm noch so viel freie Zeit lässt, das zu tun, was anscheinend sämtliche verschupften US-Jünglinge tun: Comic-Superhelden-Storys auszuhecken. Und ehe wir es uns versehen (was dank Mikes intoxikationsbedingter Reaktionsschwäche eine Weile vor ihm ist), steckt er selbst in einem Actionabenteuer: Ausgerechnet Mike der Stoner ist das Ziel eines CIA-Attentats.

Wenig Witz, viel Blut

Er überlebt diesen Anschlag freilich – und nicht nur diesen, sondern auch noch all die weiteren, die jetzt folgen. Denn Mike ist ein «Restbestand» eines CIA-Experiments zur Züchtung von Überspionen, die man nun «beseitigen» will, wie sich der zuständige Agentenfiesling (Topher Grace) ausdrückt. Als die einstige Projektleiterin (Connie Britton) Wind davon bekommt, erwachen in ihr die mütterlichen Instinkte, und sie «aktiviert» den mithin doppelsinnig schläfrigen Mike, der fortan bei Bedarf zu Jason Bourne wird. Und damit hat Drehbuchautor und John-Landis-Sohn Max nun Feierabend gemacht; das wars von der Handlungsfront. Der Rest ist ein einziges Geballer und Gemetzel, das bei nur 96 Minuten Gesamtspielzeit eigentlich absehbar sein müsste, sich aber scheinbar endlos streckt. Dies umso mehr, als in diesem schlecht ausbalancierten Genremix der Witz offenbar vergessen gegangen ist. Stattdessen geht es in bisweilen geradezu grimmigem Ton übertrieben hart zur Sache, wenn Nourizadeh halbwegs kompetent das Abc der jüngeren Actionfilm-Geschichte durchbuchstabiert. Das Einzige, was einen da noch bei der Stange hält, sind die exquisiten Stars: die TV-erprobten Nebendarsteller Grace («That 70s Show»), Britton («Nashville»), Tony Hale («Veep») und Walton Goggins («Justified»). Und vor allem: Jesse Eisenberg und Kristen Stewart. Man kann da Mike nur recht geben: Sie sind ein perfektes Paar. Sie sind sogar das neuste Traumpaar Hollywoods – wenngleich sie so gar nicht dessen Stil- und Schönheitsideal entsprechen. Die beiden sind ein Phänomen. Als krude Aussenseiter sind sie die geborenen Independent-Lieblinge; gleichzeitig haben sie die nötige Starpower, einen Sommerfilm wie diesen zu tragen. Und gemeinsam sind sie zu Grossem fähig – das immerhin hat «American Ultra» demonstriert. Und dafür gebührt ihm Dank. Aber nur dafür.