von Sandro Danilo Spadini
Ominöse Musik, luxuriöse Exotik, ein internationaler Schauplatz, ein fescher Engländerspion im Smoking: Ja sind wir denn hier im neuen James-Bond-Film? Sind wir natürlich nicht, denn der feine
Pinkel von einem Agenten (Jude Law) ist nicht eben smart. Hat er doch mal wieder vergessen, die Allergietabletten zu nehmen, und prompt muss er jetzt unkontrolliert niesen und pustet dabei dem
Schurken versehentlich das Hirn weg. Uneleganter könnte der Auftakt also nicht sein. Aber das hindert Regisseur Paul Feig nicht daran, dieser Tollpatsch-Action noch eine Vorspannsequenz im
Bond-Stil hinterherzuschicken. So wie überhaupt nur wenig den Macher von «Bridesmaids» und «The Heat» daran hindert, auch hier seinen Spass zu haben. Nicht die Logik, deren strengere Auslegung
unter anderem davon abriete, mit Law, seinem Agentenkonkurrenten Jason Statham und der Büromaus Miranda Hart gleich drei Engländer bei der CIA arbeiten zu lassen. Nicht die Korrektheit, die
manchen Scherz auf Kosten nationaler Stereotypen unschön fände. Und schon gar nicht die Wahrscheinlichkeit, die es eher nicht goutierte, dass die ebenfalls bürogummige Analystin Susan Cooper
(Melissa McCarthy) sich hier zur so patenten wie potenten Undercover-Agentin aufschwingen wird.
Verkannte Talente
All das ist Feig egal und uns noch so recht. Denn was der 52-Jährige mit seiner Stammkraft McCarthy in «Spy» anzettelt, ist schon wieder eine treffsichere Attacke auf unser Zwerchfell. Dabei musste nicht nur Susan Cooper auf ihrer
Krawalltour durch Paris, Rom und den Hauptdrehort Budapest allerlei Fallstricke umkurven. Das gehörig angegraute Genre der Agentenparodie hat schliesslich schon viele dazu verführt, sich allzu
sorglos Klamauk und Kalauern hinzugeben – man erinnere sich nochmals (nur ganz kurz) an die Stinkbombe «The Interview». Und das R-Rating, das US-Filmern eine gewisse verbale und erotische
Nonchalance einräumt, wird durchaus mal als Freibrief für schonungslos schlüpfriges Scherzen plump pubertärer Prägung verstanden – man denke (okay, jetzt nicht unbedingt ungerne) an die
Humorexzesse eines Judd Apatow. Dass Feig weder in die eine noch die andere Falle tappt bei seinem turbulenten Tanz mit Terroristen um eine stibitzte Atombombe, mag damit zu tun haben, dass bei
ihm jeweils die Frauen den Ton angeben: neben McCarthy etwa schon Kristen Wiig, Sandra Bullock oder Rose Byrne, die auch in «Spy» dabei ist als vulgär-reiche bulgarische Mafiosotochter, deren
Social Skills gröbere Defizite aufweisen. Und falls diese Theorie ein Geschmäckle von umgekehrtem Sexismus haben sollte, böte sich noch ein zweiter Erklärungsversuch an: nämlich dass sich mit
Feig und McCarthy zwei gefunden haben, die einander beflügeln; die gemäss Feig die Liebe zu ihren Figuren eint; und die diesen damit trotz allen nervtötenden Ticks und haarsträubenden Mankos
einen Rest von Würde belassen, was im Fall der lange verkannten Susan Cooper umso zwingender erscheint angesichts der Parallelität zur ebenfalls spät durchgestarteten McCarthy. Ein
Comedy-Dreamteam par excellence geben Feig und McCarthy so ab. Wie einst George Cukor und Katharine Hepburn. Billy Wilder und Jack Lemmon. John Hughes und das Brat Pack. Oder, um die Euphorie
etwas zu zügeln und das Niveau allmählich abzusenken, die Zucker-Brüder und Leslie Nielsen.
Schlagfertig, schlagkräftig
Mit «Spy» erreichen beide jedenfalls ihren vorläufigen Karrierehöhepunkt: Feig, diesmal auch für das Drehbuch verantwortlich, stösst mit dem 65 Millionen Dollar teuren Streifen finanziell in neue
Dimensionen vor; McCarthy ist erstmals alleinige Headlinerin einer Grossproduktion. In dieser gehört ihr nun auch voll und ganz die Show – trotz prächtiger Co-Stars und denkbar schmucklosen
Outfits und glamourfreien Scheinidentitäten. Und sie darf sich nicht nur schlagfertig präsentieren, sondern wie als brummige Bullin in «The Heat» auch wieder schlagkräftig. Das wird sich so
schnell auch nicht ändern. Denn statt Mafiosi, Tschetschenrebellen und Al-Qaida-Schergen wird sie bald schon Geister jagen: in der lange erwarteten Neuauflage von «Ghostbusters». Regie führen
wird dabei, na klar, Paul Feig.