Klopf, klopf, klopf – dein Dämon ist da

Im psychologischen Horrorfilm «The Babadook» zeigt Regiedebütantin Jennifer Kent ein Faible für Genreklassiker – und dass sie verstanden hat, wie man wahres Grauen erzeugt.

 

von Sandro Danilo Spadini

Der kleine Sam (Noah Wiseman) ist geradezu besessen von Monstern. Jeden Abend vor dem Zubettgehen nötigt er seine Mutter Amelia (Essie Davis), zu kontrollieren, ob unter dem Bett die Luft rein sei. Und wiewohl dem jeweils so ist, hört Sam nicht auf, sich Horrorgeschichten einer bevorstehenden Invasion auszudenken. Amelia findet, dass «diese Monster-Sache aufhören muss». In der Schule sagt man ihr, Sam habe «signifikante Verhaltensprobleme». Die Tante möchte nicht, dass er mit ihrer Tochter spielt, weil er ihr mit den dunklen Mären Angst mache. Und wir fragen uns dann irgendwann, ob dieser Bengel, der uns so sehr an die Satansbraten der Horrorklassiker aus den Siebzigern erinnert, vielleicht wirklich, im wahren Sinn des Worts besessen ist von Monstern.

Schmerz und Mutterschaft

Im Grunde jedoch geht es hier nicht zuerst um das Kind, sondern um die Mutter. Ihr hat die erste Einstellung gehört, und ihre Psyche ist es, deren sich die australische Regisseurin Jennifer Kent in ihrem Kinodebüt «The Babadook» annimmt. Abgekämpft schaut diese Amelia aus, angeschlagen ist sie: nervlich, seelisch. Und geschlagen: vom Schicksal, das ihr vor sieben Jahren den Mann nahm, und mit der Mühsal, die ihr Sam auferlegt – der Sohn, der am Todestag seines Vaters zur Welt kam. Mutterschaft und das Verarbeiten unterdrückten Schmerzes – das sind die Kernthemen dieser orts- und zeitentrückten, also überall und jederzeit möglichen Geschichte, deren Horror zunächst auch dann noch rein psychologisch ist, als Amelia und Sam das Buch des Herrn Babadook finden. Keiner weiss, wie es ins Gestell gekommen ist, dieses altmodische Aufklappbuch, das von einem schwarzen Wesen handelt, das nur lustig aussieht. Das unter seiner Maske aber etwas verberge, bei dessen Anblick man sich den Tod wünsche. Und das man nie mehr loswerde. Angst und Ahnung, Geraschel und Gerumpel werden sich dann aber schon noch in handfest Grauslichem und Grusligem manifestieren; bei Filmmitte ist die Aufwärmphase unter recht strikter Befolgung der Genreroutine vollzogen: Das alte Haus ist Meter für Meter vermessen, die Abläufe sind Mal um Mal repetiert, die Autoritäten Szene nach Szene diskreditiert, Amelias Ohnmacht Schritt für Schritt dokumentiert worden. Die Abwärtsspirale dreht nun schneller und schneller, auf dass einem schwindliger und schwindliger wird. Dem Taumel setzt Kent freilich keinen Aktionismus entgegen; ihre abwartende Haltung macht einen aber fast noch irrer. Denn auch jetzt, wo es zusehends klirrt und klappert, pocht und poltert, spritzt und scheppert, ist nicht alles einfach Fantasterei, sondern vielmehr: allzu real. Und damit umso quälender. Im schwarzen Gewand des Herrn Babadook erscheint da nämlich etwas, was es nicht geben dürfte: der Horror einer Mutter, die ihren Sohn nicht lieben kann.  

Ein doppeltes Grauen

Angesichts dessen erhält die Tatsache, dass hier mit Jennifer Kent eine Frau für Skript und Regie verantwortlich zeichnet, natürlich einiges Gewicht. Zu viel vielleicht. Zumal es in der Geschichte des Horrorfilms ja auch schon Männer gab, die sich profund mit weiblichen Urängsten befassten. Roman Polanski in «Repulsion» und «Rosemary’s Baby» etwa. Oder Brian De Palma in «Carrie». Kein Wunder ist es da, gemahnt einen die hervorragende Essie Davis an deren Heldinnen Mia Farrow und Sissy Spacek. Und noch ein Klassiker drängt in den Sinn: Stanley Kubricks «The Shining». Wobei unklar bleibt, ob Davis nun Shelley Duvall oder Jack Nicholson heraufbeschwört. Doch zurück zu Jennifer Kent. Ihr ein Loblied zu singen, ist unbedingt noch nötig. Nicht weil sie feminine Qualitäten einbrächte. Sondern weil sie eine Meisterin ist. Ihr «Babadook» ist an der Oberfläche ein filmgeschichtsbewusster Schocker; als solcher funktioniert er formidabel, drückt die richtigen Knöpfe, setzt die nötigen Häkchen. Darunter indes steckt wie bei den Klassikern des Genres noch weit mehr: die Erkenntnis, dass man sich seinen Dämonen stellen muss. Und man die Trauer nicht überwinden, sondern mit ihr umzugehen lernen soll. Darauf muss man sich aber einlassen. Es zulassen. Es hereinlassen. Wie Sam und Amelia es mit Herrn Babadook tun. Dann schüttelt es einen auch so richtig durch.