Träume produzieren, Lügen fabrizieren

Den Coens ist auch nichts heilig: In der leicht ausgefransten Starparade «Hail, Caesar!» treiben die spitzbübischen Brüder bitterbösen, bonbonbunten Schabernack mit Hollywoods goldener Ära.

 

von Sandro Danilo Spadini

Man ist seit einiger Zeit stark mit sich selbst beschäftigt in Hollywood; und man hat offenbar Freude daran – ja eine derartige Freude, dass man sich in den letzten vier Jahren dreimal bemüssigt sah, den Haupt-Oscar einem Film zuzuschanzen, der sich mit dem Kino befasst. Wenn sich jetzt auch noch die Brüder Joel und Ethan Coen nach dem Schreiben («Barton Fink») und dem Singen («Inside Llewyn Davis») des Filmens annehmen, darf indes kein blindes Abfeiern ihrer Zunft erwartet werden; schliesslich sind die Chefzyniker aus Minneapolis trotz ihres fulminanten Œuvres stets Aussenseiter geblieben in Hollywood. Mithin ist ihr «Hail, Caesar!» bei aller Spiellaune und Zitierfreude denn auch weniger eine schwärmerische Hommage an die goldene Ära in Tinseltown geworden; vielmehr schimmert da bisweilen eine leise Verachtung durch für die kalifornischen Träumeproduzenten und Lügenfabrikanten aus bonbonbunter Vorzeit. Und ab und zu – diesen Coens ist auch nichts heilig – wird es sogar bitterböse; das können auch die ganzen Tanz-, Gesangs-, Slapstick- und Film-im-Film-Einlagen nicht wegwischen, die «Hail, Caesar!» zu einem der ausgefranstesten, aber auch ambitioniertesten und aufwendigsten Coen-Filme machen.

Allerhand los

Der recht dünne rote Faden, der diese prächtig besetzte Parade schräger Vögel mit komischen Namen zusammenhält, ist Eddie Mannix (Josh Brolin), ein sogenannter Fixer, einer also, der die Dinge in Ordnung bringt. Und in Ordnung zu bringen gibt es im Coen-Universum natürlich einiges, umso mehr, als sich dieses über das wilde Hollywood des Jahres 1951 legt. Da ist etwa der am Sandalenfilm-Set absente Superstar Baird Whitlock (George Clooney), der von Kommunisten nach Westmalibu verschleppt wurde und dort bei Gurkensandwiches den kapitalismuskritischen Thesen eines Professors Marcuse lauscht. Da ist auch ein total überforderter Westernheld (Alden Ehrenreich), der auf Geheiss des New Yorker Studiobosses in einer Broadway-Adaption plötzlich schauspielern soll und dabei seinen Starregisseur (Ralph Fiennes) kirre macht. Und es ist da ein zweifach geschiedenes Starlet (Scarlett Johansson), das trotz Engelsimage eine ziemliche Bordsteinschwalbe ist und gerade einen Vater für ihr Ungeborenes braucht. Verheimlichen und vertuschen, schummeln und schwindeln – das ist die Kompetenz des kernigen Eddie. Doch auch bei ihm trügt der Schein. Zwar verteidigt er sein Tun gegenüber «der Presse» (in einer Doppelrolle repräsentiert von Tilda Swinton) knackig damit, dass die Leute eben glauben wollten, was ihnen Hollywood da auftische – dass sie nichts wissen wollen vom unpässlichen sexuellen Verhalten dieses oder dem unschicklichen sozialen Gebaren jenes Leinwandhelden; aber all die Lügerei setzt ihm dermassen zu, dass er täglich zur Beichte geht.

A Star Is Born

Daselbst nimmt «Hail, Caesar!» auch seinen Anfang – durchaus bezeichnenderweise, muss man sagen, denn wie schon in «A Serious Man» hantieren die Coens, diese grausamen Filmgötter, auch hier subversiv mit religiösen Zeichen und theologischer Theorie. So wie sie das in fast fahriger, rasender Schaffenswut dezenter auch mit der Wirtschaftslehre und rabiater mit der Kinogeschichte tun. An perfiden und raffinierten Einfällen mangelt es ihnen dabei erwartungsgemäss nicht: So etwa sind die kommunistischen Kidnapper ausgebeutete Drehbuchautoren, die ihr Stück vom Kuchen begehren. Und mit Referenzen sparen sie auch nicht – von «Ben Hur» bis «Vertigo», von Gene Kelly bis George Cukor. Wie die allmächtigen Studios die Stars als Vieh, als Leibeigene, als Manövriermasse behandeln, wäre derweil Stoff für ein Drama, eine Tragödie gar. Für einen Streifen freilich, der jemand anderen brauchte als die Coens, diese ewigen Nostalgiker, die elf ihrer siebzehn Filme in der Vergangenheit angesiedelt haben – einer stets aufs Spitzeste, wenn auch selten zum Guten verklärten Vergangenheit. Und so ist «Hail, Caesar!» mehr Eindruck denn Abbild von Hollywoods goldener Ära: eine formvollendete Albernheit, deren Giftpfeile mit rosa Federn bestückt sind; ein Martini-Schwips von einem Film, in dem der Glamour die Substanz übertrumpft; und nach guter alter Hollywood-Sitte auch ein Schaulaufen der Stars, die vom verkalkten Clooney bis zur verruchten Johansson verzücken und in deren Reihen mit dem allerliebst einfältigen Alden Ehrenreich noch ein Star geboren wird.