von Sandro Danilo Spadini
Paul Feig hat «Bridesmaids» gedreht. Er hat «The Heat» gedreht. Hat «Spy» gedreht. Und jetzt hat Paul Feig
«Last Christmas» gedreht – und all die komödiantischen Leckerbissen, die er uns seit Jahren kredenzt, werden
mit einem Schlag ausgelöscht, geraten in unverdiente Vergessenheit, verschwinden völlig zu Unrecht aus dem kollektiven Kinogedächtnis. Denn nun ist Paul Feig für immer der Mann, der uns «Last
Christmas» unter den Baum gelegt hat – eine Weihnachtskomödie, die in einer solchen Absolutheit, in jeder Hinsicht und auf jedem Level, granatengrottig ist, dass es ein Ereignis ist. Sprich: Das
ist einer für die Geschichtsbücher, einer à la «Gigli». Sie wissen schon: diese Gaunerkomödie von 2003, die so schlecht war, dass sie Ben Affleck und Jennifer Lopez monatelang zum Gespött
Hollywoods machte und die Karriere ihres Regisseurs beendete. Geld wurde weniger an der Kinokasse gemacht als mit dem Verkauf von T-Shirts mit der Aufschrift «I Survived Gigli». «Last Christmas»
ist noch schlechter. T-Shirts werden nicht reichen. Es wird schon ein Hilfsfonds für traumatisierte Cineasten nötig sein, um das hier zu überwinden.
Null Chemie
So, und jetzt reden wir über Emma Thompson. Die hat dieses in einem poliert pittoresken London angesiedelte Schlamassel von einem Sparwitz-Schmaus als Co-Autorin und Co-Star nämlich
mitzuverantworten und mithin für Gags wie diesen geradezustehen: «Er arbeitet bei Burger King und ist Veganer. Er muss hin- und hergerissen sein.» Ein Schwank im Betagtenheim ist kecker. Und bei
der Bewirtschaftung ihrer (Neben-)Rolle als akzentgewaltig dauernörgelnde Matriarchin aus dem ehemaligen Jugoslawien vollbringt sie auch wenig, was ihre ultraaltbackenen Humorgräueltaten
(«Snapgram, Instachat oder wie das heisst», hi, hi, hi!) ungeschehen machen oder gar das zuletzt ziemlich verwaiste Romcom-Genre wieder beflügeln könnte. Um gröberen Schaden anzurichten, ist
Thompson hier aber zu wenig präsent. Die Schau gehört in «Last Christmas» Filmtochter Kathrina, dargestellt von «Game of Thrones»-Star Emilia Clarke. Kate, wie sie sich in Abgrenzung zur alten
Heimat nennt, arbeitet als Elfe in einem Ganzjahres-Weihnachtsshop, liebt George Michael und ist diese ausgeflippte Schusselige, wie sie noch in jeder britischen Komödie seit den Neunzigern ihren
Auftritt hatte. Wobei man mit «ausgeflippt» bitte lustige farbige Socken und mit «schusselig» Bananenschalen-Humor assoziieren möge. Komödienneuling Clarke spielt diesen Standard-Part, der noch
halbherzig um gesangliche Ambitionen erweitert ist, aber mit reichlich Hingabe. Sie spielt ihn freilich so, als wäre sie stets solo am sicher hübschen Glanz-und-Glitter-Set, und baut zu keinem
ihrer Sparringspartner im trotz steten Stakkatos schnarchigen Schlagabtausch auch nur ansatzweise eine Beziehung auf. Am allerwenigsten saublöderweise zu ihrem Co-Star Henry Golding. Der hat
unlängst noch als Friseur gewirkt, und nichts von dem, was der britisch-malaysische Beau aus dem Smash-Hit «Crazy Rich Asians» in diesem auf der aktuellen Musikwelle surfenden
George-Michael-Quasitribut tut, ist dazu angetan, diesen Jobwechsel als Segen fürs Kino zu taxieren. Golding hat in der Rolle des feinfühligen, lebensfrohen, selbstlosen Tom den sterilen
Sexappeal eines noch verpackten Barbie-Ken und die Kinostarpower eines Fernsehmoderators (der er auch noch ist). Aber immerhin: Wiewohl zwischen den beiden Leads chemisch Funkstille herrscht und
rein gar nichts läuft – unsympathisch und uncharismatisch sind sie nicht.
Gutmenschelnder Schmus
«Nichts fühlt sich richtig an», sagt Kate, als dieses nach hollywoodschem Keuschheitsgebot gedrehte, realitäts- und romantikbefreite Kunstprodukt den vom Gesetz vorgeschriebenen Schwenk ins
Rührselige macht und mit bittersüsser Note ihren tragischen Background aufbereitet – und sie weiss gar nicht, welch treffenden Metakommentar sie da liefert. Der Dilettantismus, mit dem hier
bisweilen zu Werke gegangen wird, ist jedenfalls erschütternd und macht einen nichts weniger als fassungslos. Jungs! Mädels! Kommt jetzt! Das kann doch nicht euer Ernst sein. Das! Kann! Nicht!
Euer! Ernst! Sein! Ein Krippenspiel im Kindergarten ist versierter. Und just als man glaubt, jetzt sei dann mal gut, kommt noch dieser Twist: so blödsinnig, so ausgelutscht. Aber er ist dann doch
nur das Präludium für ein glücktrunken frohlockendes, Juhe jauchzendes, schnuckiputziges Finale voller inklusiv-gendergerecht-migrationshintergründiger Weihnachtsseligkeit. Denn gleich nachdem es
zu menscheln begonnen hat, fängt es auch schon an zu gutmenscheln. Ein Newsclip über den Brexit und ein Rassistenarsch im Bus – fertig ist die selbstgefällige Gesellschaftskritik. Wow, da wird
man doch grad richtig nachdenklich. Aber Weihnachten halt. Das ist mehr als nur eine solche Wahnsinnsgaudi. Innere Einkehr! Verbindende Besinnlichkeit! Holde Menschlichkeit! Feig und Thompson
ziehen zum Schluss auf die Schnelle und pro forma noch all die restlichen Register und meinen womöglich wirklich, dass sie da ein hehres Statement gegen Hartherzigkeit in die Welt aussenden und
ein flammendes Plädoyer für Toleranz abfackeln. Tom sagt einmal zu Kate, sie solle nicht so zynisch sein. Man möchte das ja auch beherzigen, grad jetzt. Aber nein, geht nicht. Sorry. Und doch,
dieses Desaster, das die Wärme einer in Kinderarbeit fabrizierten chinesischen Plastiktanne verströmt, hat doch noch ein wunderbares Highlight in petto: Nach zahllosen Klassikern läuft im Abspann
die erste postum erschienene Single des vor drei Jahren an Weihnachten verstorbenen George Michael. Das hat dann tatsächlich das Zeug, einen zu Tränen zu rühren.