Von Sandro Danilo Spadini
Wie die klassische Revoluzzerin schaut sie ja nicht gerade aus mit ihrer braven Kleidung, der züchtigen Frisur und der strengen Brille. Dass in Sally Alexander (Keira Knightley) gleichwohl ein
durchaus aufrührerisch gesinnter Geist haust, dringt freilich bereits durch, wenn sie sich eingangs vor einem Komitee aus sechs Männern am University College zu London um ein Studium auf dem
zweiten Bildungsweg bewirbt. Es ist das Jahr 1970, und eine junge Frau, die schon geschieden ist, sich das Aufziehen ihres Kindes mit dem neuen Partner teilt und nun also auch noch an die Uni
will – das provoziert unter den distinguierten Akademikerherren dann doch die eine oder andere gelupfte Augenbraue. Und so sieht sich Sally nun bemüssigt, eilfertig nachzuschieben: «Ich werde
eine reife, eine reife Studentin sein.» Pah! Wird sie natürlich nicht sein, denn sonst hätte dieser auf einer wahren Knüllergeschichte basierende Feminismusfilm wohl kaum was zu erzählen – und
sonst würde er vermutlich auch nicht so heissen:
«Misbehaviour», schlechtes Benehmen. Erst mal aber muss diese Unartigkeit noch aus Sally herausgekitzelt werden, und diese Aufgabe
obliegt nun dem wirbligen Rotschopf Jo Robinson (Jesse Buckley): Ob sie denn das männliche Establishment stürzen wolle oder einfach einen Platz an deren Tisch anpeile, fragt diese kleine
Querulantin die kontrolliert und strukturiert vorgehende Mittelstandskommilitonin. Aber wie sich weisen wird, verfolgen die beiden eh dieselben Ziele, und sie tun dies alsbald unter dem Dach des
Women’s Liberation Movement, dessen hehre Anliegen das Ende der weiblichen Diskriminierung, Lohngleichheit und die Kontrolle über den eigenen Körper sind und dessen Leitspruch da lautet: «Wir
sind nicht herzig, wir sind nicht hässlich – wir sind hässig!» Lauter Dinge mithin, mit denen einer wie Bob Hope (Greg Kinnear) rein gar nichts anfangen kann. Die Hollywood-Legende kriegen wir
ebenfalls schon in den allerersten Zügen dieser Komödie von TV-Veteranin Philippa Lowthorpe bei einem Auftritt vor einem indes ungleich üppigeren Publikum zu sehen: als er vor den Truppen in
Vietnam die amtierende Miss World mit Worten preist und rühmt, für die man heutzutage von der Sittenpolizei verhaftet wird. Und ebendieser schmierig lüsterne Narziss mit seinem Archiv aus 538'000
vornehmlich ranzigen Gags wird es sein, der auch die kommenden Miss-World-Wahlen in London moderieren wird – eine Veranstaltung, für die sich die Frauenbewegung um Jo und Sally gerade nicht
minder brennend interessiert.
Wenig subversiv und substanziell
Ein ernstes und erst noch aktuelles Thema ist es, dessen sich Lowthorpe und ihre ebenfalls fernseherprobten Drehbuchautorinnen Rebecca Frayn und Gaby Chiappe hier angenommen haben. Und wie sie
damit zu kutschieren gedenken, das wird augenblicklich offensichtlich: rigide nach den althergebrachten Strategien von gesellschaftskritischen britischen Komödien à la «The Full Monty» oder
«Calendar Girls», sprich mit maximalem Wohlfühlfaktor, der sich aus altväterlichem Humor und abgestandener Hurramusik speist, und mit forsch-frechem Vorpreschen in frivole Gefilde, worunter
freilich jenes forsch Freche zu verstehen wäre, mit dem auch die neue Kurzhaarfrisur der Handarbeitslehrerin im Dorfschulhaus zu taxieren gepflegt wird. Das heisst somit auch, dass das dem
Filmtitel zum Trotz hier artig und friedlich zu- und hergehen wird und das Subversive wie auch das Substanzielle auf die Hinterbank oder den Fensterplatz verwiesen werden. Womit derweil weniger
zu rechnen war, sind die erweiterte Themenpalette und die im Gefolge dessen ausgebauten Handlungsstränge: Da sind nicht nur die feministischen Debatten in den Unistuben oder in Sallys Wohnzimmer
mit ihrer dezidiert traditionell eingestellten Mutter (Phyllis Logan) auf der einen Seite und als deren scharfer Kontrapunkt das chauvinistische Gebaren des von Bob Hope und dem
Miss-World-Veranstalter Eric Morley (Rhys Ifans) personifizierten Patriarchats; es wird im prunkvollen Rahmen des Schönheitswettbewerbs auch noch eine Rassismusdiskussion lanciert, die mit der
Krönung der dunkelhäutigen Miss Grenada (Gugu Mbatha-Raw) sogar ein überraschend gutes und erst noch den Tatsachen entsprechendes Ende nimmt.
Mit Grau- und Zwischentönen
Es ist das mithin ein verdienstvoll facettenreicher Film geworden; und dass er mitunter ein wenig orientierungsarm wirkt, sich immer wieder verzettelt ob all der Themen und Player und sich
ziemlich wacklig in Ton und Timing präsentiert, sei ihm da doch glatt verziehen. Aber eben: Das könnte halt schon peppiger und pointierter rübergebracht werden. Klar, man kann auch lächelnd die
Zähne zeigen. Und dann und wann tut das der Film auch tatsächlich. Richtig bissig ist er aber nicht mal dann, wenn er die Machodinosaurier und ihre Welt der Puppen, Miezen und Bienen als
fürchterlich vorgestrig demaskiert – zu sehr werden sie als Karikaturen gezeichnet, als dass man sie als jene Bedrohung ernst nehmen könnte, die sie in Wirklichkeit waren. Immerhin aber haben
Regie und Drehbuch die Weisheit, das anstössig rückständige wie auch das ermutigend fortschrittliche Verhalten grosszügig über die Geschlechter-, Alters-, Schicht- und Rassengrenzen hinweg auf
die Akteure zu verteilen und nicht selbst in die Stereotypenfalle zu tappen: Ganz im Gegenteil sehen sie die Grautöne und hören die Zwischentöne. So wie eine gewisse Grundintelligenz ist auch
eine handwerkliche Grundkompetenz vorhanden. Wenn der «Daily Mirror» etwa von einer «Welt des Protests» titelt, dann versteht es der Film – so hausbacken und mehrheitsfähig er ansonsten auch sein
mag –, eine Ahnung dieser hibbelig umstürzlerischen Stimmung zu vermitteln. Und weil das alles auch noch wunderbar groovy ausgestattet und funky auskostümiert ist und gerade die nachgerade
perfekt besetzten Stars – allen voran Knightley, Buckley und Mbatha-Raw – einen Sahnetag eingezogen haben, passt das am Ende dann gar nicht mal schlecht.