Von Sandro Danilo Spadini
Die mörderischen Tücken des über Airbnb und Co. gemieteten Traumhauses, sie schlugen unlängst schon Kevin Bacon und Amanda Seyfried in der gar harsch verrissenen
Daniel-Kehlmann-Verfilmung «You Should Have Left» heftig um die Ohren und hart ins Gesicht. Die beiden Paare aus
«The Rental» hätten also gewarnt sein können, als sie auf «Buchen» klickten und sich alsbald auf den Trip an die Küste von
Oregon machten. Aber so sind die jungen Leute von heute halt: Sie mögen wohl wach, «woke» und aufgeweckt sein; wenn es aber um moderne Technologie geht, haben sie blödsinnig blindes Vertrauen. So
halb kann man das freilich auch verstehen im Fall von Charlie (Dan Stevens), seiner Frau Michelle (Alison Brie), seiner Geschäftspartnerin Mina (Sheila Vand) und seines Bruders Josh (Jeremy Allen
White): Diese Hütte da oben über den Klippen des Pazifischen Ozeans ist wirklich der Hammer. Ein Wochenende lang wollen die vier hier chillen, ein paar Pillen einwerfen, kräftig bechern, sich
high die Aussicht reinziehen und Sterne kucken, am Strand schlendern und zum nahen Wasserfall wandern. Schon bei der Ankunft indes wird dieser patente Plan schwer gestört. Denn der schnauzbärtige
Vermieter entpuppt sich nicht nur als knorriges Landei, sondern – zumindest ansatzweise – auch als rüder Rassistenarsch mit Ressentiments gegenüber der iranischstämmigen Mina und tags darauf gar
– zumindest verdachtsweise – als perverser Creep mit einem Faible fürs Spannen via elektronische Totalüberwachung.
Friktionen aller Art
Bei den Spannungen, die sich in «The Rental» schon beim Aufschliessen der Tür ein erstes Mal entladen, wird es natürlich nicht bleiben; schliesslich haben Regisseur Dave Franco («Now You See
Me»), der bislang nur schauspielernde jüngere Bruder von James, und der für seine Mumblecore-Hipsterfilme und seine Tech-Affinität bekannte Co-Drehbuchautor Joe Swanberg («Drinking Buddies»)
schon davor mal mehr, mal minder subtile Andeutungen gemacht, dass da auch in der Abteilung «Sexuelles & Zwischenmenschliches» einiges im Busch liegen könnte. So ahnt man bereits, dass
Charlie und Mina, die nach dem Weekend mit ihrem Start-up voll durchstarten möchten, es womöglich einen Tick zu gut miteinander können, dass da etwas viel Nähe ist und sich die Wertschätzung für
den vorbestraften Bruder mit dem Lyft-Teilzeitjob und die schon selbstverständlich und ein bisschen bieder gewordene Gattin allzu gering ausnimmt. Das haben Franco und Swanberg schon mal
geschickt eingefädelt; und wie sie dann weiterverfahren, zeugt ebenfalls vom Willen, die Keilereien und Kalbereien, die da im finalen Akt noch folgen werden, psychologisch so zu unterfüttern,
dass sie nicht als plumpe Schockeffekte verpuffen. Sprich: dass man die Figuren kennt und ernst nimmt, wenn es ihnen am Ende an den Kragen gehen wird. Ob man dann auch mit ihnen sympathisieren
wird, ist wiederum eine andere Frage: Alle vier haben da nämlich schon ihre unvorteilhafteren Seiten entblösst und eine gewisse Doppelmoral offenbart, die man wie so vieles hier als sehr
zeitgemäss, sehr zeitgeistig werten darf.
Hitchcock und Polanski
Auch die vier Leads, die diese zweischneidigen Typen verkörpern, haben schon vor dem frenetischen Furioso ordentlich was gezeigt: Dan Stevens aus «Downton Abbey» verströmt als Charlie Charme ohne
Ende, aber auch einen Hauch hallodrihafter Unehrlichkeit; Sheila Vand aus «A Girl Walks Home Alone at Night» stattet ihre Mina mit einer grossen Portion Schläue und einer Prise paranoider
Überspanntheit aus; Alison Brie aus «Mad Men» holt das Maximum aus der eher blassen Michelle raus und gibt ihr mehr Tiefe, als ihr das Drehbuch eigentlich zugesteht; und Jeremy Allen White aus
«Shameless» verleiht dem linkischen Loser Josh die Aura einer angekündigten Katastrophe und bettelt mit Hundeblick ziemlich erfolgreich prophylaktisch um Verständnis dafür. Da wird mithin einiges
an Vorarbeit geleistet. Das durchaus auch mit Betonung auf Arbeit, wie manch unterbespasster Horrorfreund mit einigem Recht einwenden mag – zumal das nebst Ausflügen ins Hitchcock-Reich
vornehmlich auf dem Territorium des psychologischen Thrillers im Stil von Roman Polanskis «Cul-de-Sac» und «The Death and the Maiden» gemessenen Schrittes vonstattengeht und eben nicht den
Parcours jenes Genres herunterrattert, dem anzugehören «The Rental» doch vorgibt. Franco freilich versteht die Regeln dieses Spiels sehr wohl; das zeigt sich auf einen zweiten Blick schon im
dramatischeren Teil und im finalen Akt dann mit voller fieser Wucht und in Form des klassischen maskierten Slashers. Er variiert diese Regeln und Konventionen aber; teilt sich seine «Jumpscares»
spartanisch ein, auf dass sie – eine uralte Binsenweisheit – umso wirkungsvoller werden. Effizient ist sein auf bündige 88 Minuten zusammengezurrtes Spielfilmdebüt denn auch, in dem ihm draussen
in der nebligen Nacht überdies das eine oder andere hübsch gruselige Bild glückt. Und den er, ohne altklug zu nerven und zu langweilen, mit scharfen Beobachtungen und klugen Kommentaren zur
unverbindlichen Airbnb-Generation und ihrer App-basierten Technologieabhängigkeit ausstaffiert. Zum nächsten Ari Aster («Midsommar») oder Jordan Peele («Get Out») macht ihn das zwar noch nicht
gerade; aber auch sein listiger Erstling darf sich fraglos zu dieser neuen oder eben wiederentdeckten Art von Genrefilmen gesellen, die den althergebrachten kunstblutigen Horror mit den ganz
realen, ganz wahren Schrecken der Gegenwart zu einem wahr- und wahnhaft furchteinflössenden Gebräu vermischen. Den Namen Dave Franco wird man nun jedenfalls nicht mehr so sehr mit einem leidlich
begabten Mimen oder einem im Schatten agierenden kleinen Bruder als mit einem verheissungsvollen Regisseur verbinden.