von Sandro Danilo Spadini
Katzen und das Kino? Es gibt einfachere Beziehungen. Man findet sie zwar in Vito Corleones oder Ernst Blofelds Schoss und in Holly Golightlys Bett. Und die Coen-Brüder gaben vor nicht allzu
langer Zeit in «Inside Llewyn Davis» einem roten Rumtreiber namens Odysseus reichlich Raum zur Entfaltung. Viel öfter aber müssen sie als leichte Beute von Psychopathen oder als bessere Requisite
in Horrorfilmen herhalten. Aber klar, es gibt ja auch folgsamere Akteure als die eigensinnigen Viecher, vor denen einst sogar der grosse Alfred Hitchcock kapitulierte. Doch nun ist die Zeit reif
für einen neuen pelzigen Kinostar. Denn nun betritt Small Frank die Bühne, ein rabenschwarzer Kater, der in der Literaturverfilmung
«French Exit» zwar nicht die grösste, aber eine
nichtsdestotrotz entscheidende Rolle spielt. Seine Besitzerin jedenfalls ist überzeugt, dass in ihm die Seele ihres verstorbenen Gatten haust – wobei sie diesen freilich ebenso wenig gemocht hat,
wie sie Katzen an sich mag. Und auch wenn man diese Frances Price (Michelle Pfeiffer), die im Ruf steht, seltsam und schwierig zu sein, jetzt nicht für voll nehmen sollte und man sie im Folgenden
immer wieder stirnrunzelnd, kopfschüttelnd und naserümpfend beäugen wird: In dieser Hinsicht, bei der Reinkarnationsgeschichte, liegt sie für einmal wohl nicht völlig daneben. Schliesslich hat
sie ihre exzentrische Meinung nicht exklusiv; auch ihr inzwischen erwachsener Filius Malcolm (Lucas Hedges) erkennt in Small Frank (Stimme: Tracy Letts) den Papa, zu dem er ebenfalls nicht das
beste Verhältnis hatte.
Schwarz wie des Katers Fell
Die Prices also sind nicht ganz gewöhnliche Gesellen. Indes sollten sie sich nun allmählich auf eine neue Normalbescheidenheit einstellen. Denn zu Beginn des Films kriegt Frances vom
Familienbuchhalter sogleich zu hören: «Es ist alles weg.» Ihre bleibe nur noch eines: alles zu verhökern – die Kunst, die Bücher, den Schmuck. Für jemanden wie Frances, die keinen einzigen Tag in
ihrem Leben gearbeitet hat, ist das natürlich ein Schock sondergleichen, ist sie doch nicht unbedingt jemand, dem Geld und die damit ermöglichten Annehmlichkeiten einerlei wären. Ihr Plan sei es
gewesen, einen Abgang zu machen, wenn das Geld alle sei. Doch nun: neuer Plan! Und zwar: auf nach Paris, wo eine Freundin eine freie Wohnung hat und wo sie ohnehin schon immer hinwollte, um zu
sterben. Paris ist jetzt aber halt auch nicht gerade ein Pflaster, das zu einem genügsamen Lebenswandel einlädt. Und weil es Madame an jeglicher Disziplin mangeln und blanken Fatalismus walten
lässt, schwant einem bald Böses. Et voilà: Nach einer runden Stunde, die beseelt war von weltgewandtem Sarkasmus und realitätsverweigernden Skurrilitäten irgendwo zwischen Woody Allens «Blue
Jasmine» und Wes Andersons Puppenhauswelten, dunkelt sich das Geschehen etwas ein. Regisseur Azazel Jacobs und Autor Patrick deWitt, der hier seinen eigenen Roman adaptiert, machen nun
einstweilen Schluss mit lustig, schwören dem frivolen Schwadronieren ab und flirten mit existenziellen Fragen – oder immerhin mit solchen, die an die Existenz der Familie Price rühren. Doch just
ab da, wo Schmach und Schmerz nicht mehr so rotzig-trotzig mit Schmäh und Schmus gekontert wird und sich der blasierte Ennui zur veritablen Lebensmüdigkeit auswächst, hängt der Film durch – zumal
man halt kaum vorbereitet und empfänglich war für diese Form von Seelenforschung. Dafür hatte man bis hierhin schlicht zu viel Spass und Freude an einem Humor, der so schwarz ist wie das Fell des
nunmehr flüchtigen Katers.
Eine Bühne für Pfeiffer
Nun ist es freilich nicht so, dass der Film davor ein Feuerwerk an spritzigen Spitzen war – und er wird es auch nach einer kleinen personellen Blutauffrischung zum letzten Drittel hin nicht mehr
werden. Vielmehr ist und bleibt «French Exit» eine launige, nonchalant fahrige Sache. Es hat hier denn auch nicht wenige Szenen drin, deren einzige Funktion darin zu bestehen scheint, die seit
Jahren chronisch unterbeschäftigte Michelle Pfeiffer zu entschädigen und ihr die Chance zum Brillieren zu offerieren. Das geht dann zwar zulasten von Takt, Tempo und Timing; weil aber Pfeiffer
diese Chancen jeweils freudig beim Schopfe packt und auch ihre Figur mit ihrer Zeit so verschwenderisch umgeht wie mit dem Geld, passt das doch tipptopp. Dies umso mehr, als Pfeiffer in Lucas
Hedges einen Sparringspartner hat, der es vorzüglich kann mit reiferen Damen, wie er schon an der Seite von Nicole Kidman («Boy Erased»), Julia Roberts («Ben Is Back»), Frances McDormand («Three
Billboards Outside Ebbing, Missouri») oder von Meryl Streep, Dianne Wiest und Candice Bergen in Steven Soderberghs letzter charmanter Plauderei «Let Them All Talk» bewiesen hat. Und sollte es
dann doch mal zu fad und beliebig werden, kann man sich ja immer noch an der Anmut von Small Frank ergötzen.