Zum Brüllen? Zum Heulen!

In «Cocaine Bear» gibts einen Bären auf Kokain. Mehr braucht man nicht zu berichten von dieser Horrorkomödie. Weil das alles ist, was sie zu bieten hat. Und weil das tatsächlich so bescheuert ist, wie es sich anhört – bloss brutaler und pointenärmer.

Brendan Fraser im Film The Whale

Universal Studios

von Sandro Danilo Spadini

«Er ist verrückt oder so», stammelt der kleine Henry (Christian Convery) in Richtung seiner Freundin Dee Dee (Brooklynn Prince). Kleine Spoiler-Warnung: «Oder so» triffts am ehesten für das, was dieser wild oder noch wilder gewordene Schwarzbär vor den sperrangelweit aufgerissenen Augen der beiden Schulschwänzer in einem lauschigen Nationalpark im US-Bundesstaat Georgie da gerade treibt. Und genauer: Eine monströse Menge Kokain hat unser Meister Petz, der, wie es später jemand schmerzvoll erfahren wird, eigentlich eine Meisterin ist, sich einverleibt; und ganz augenscheinlich scheint es ihm zu taugen und dürstet es ihn nach mehr. Und mehr! Und meeeehr!!! Und mehr von dem weissen Zauberpulver hat es hier allemal. Denn neben den rund 35 Kilo, die bei der Leiche des Drogenschmugglers Andrew C. Thornton (Matthew Rhys) auf einem Parkplatz in Knoxville, Tennessee, gefunden worden sind, liegen quer über den Wald verteilt etliche weitere Sporttaschen voller Koks, an denen sich der pelzige Koloss noch gütlich tun kann. Gekommen ist das so: Thornton brachte per Kleinflugzeug im Auftrag des kolumbianischen Drogenkartells die Ware über die Grenze, musste seine Fracht dann aber abwerfen, weil sie zu schwer war. In einem Anflug von drogeninduziertem Übermut sprang Thornton hinterher, doch sein Fallschirm wollte da partout nicht mitspielen. Und so ist das nun eine ziemlich vertrackte Situation: nicht so sehr für Thornton, dem das alles maximal egal sein kann, aber halt für seinen Boss Syd (Ray Liotta) daheim in St. Louis, Missouri, dem die Kolumbianer jetzt natürlich im Nacken sitzen. Also schickt er seinen Handlanger Daveed (O’Shea Jackson junior) samt seinem liebeskranken Sohn Eddie (Alden Ehrenreich) in den Chattahoochee-Oconee-Nationalpark, in dem sich neben Henry und Dee Dee auch noch deren Mutter Sari (Keri Russell), die Parkrangerin Liz (Margo Martindale), der Tierfreund Peter (Jessse Tyler Fergusson), der blondierte Rowdy Stache (Aaron Holliday), der Polizist Bob (Isiah Whitlock Jr.), der skandinavische Wanderer Olaf (Kristofer Hivju) und eben ein bereits schwerstsüchtiger 80-Kilogramm-Bär tummeln.
 
Kein Film, bloss eine Idee
 
Potz: Eine selten schlaffe Schar von müden Sparwitzfiguren ist das, was die Schauspielerin Elizabeth Banks da in ihrer dritten Regiearbeit aufmarschieren lässt. Und nein, keine Angst: Niemand erwartet von einem Film, der «Cocaine Bear» heisst und der dann auch tatsächlich einen Bären auf Kokain durch die Wälder strolchen lässt, distinguierte Unterhaltung mit fein hintersinnigem Humor zum schelmischen Schmunzeln. Aber das, was Banks ihre Doofis und Dödel, Deppen und Dumpfbacken hier abziehen lässt, ist nicht etwa rustikal albern, wie es zu hoffen stünde und wie es einst das ähnlich abstrus betitelte B-Movie «Snakes on a Plane» vormachte; es schwankt nun mal konstant und konsequent zwischen platt, schal, debil und infantil. Selbst das freilich wäre in der geeigneten Stimmung bei allfälliger Zuhilfenahme gewisser enthemmender Stimulanzien unter den angezeigt mildernden Umständen vielleicht noch wegzulächeln, zumal dieses Ensemble (inklusive des unlängst verstorbenen Ray Liotta in einer seiner letzten Rollen) durchaus imstande wäre, einen bei der Stange zu halten. Aber leider ist dieses Projekt nie über den Status einer (Schnaps-)Idee hinausgewachsen; ja der nachgerade erschütternde Mangel an solchen Petitessen wie einer halbwegs kohärenten Dramaturgie oder auch nur einer erkennbaren Struktur wecken ernste Zweifel, ob sich das überhaupt als Film qualifizieren lässt. Das eine muss sich Drehbuchautor Jimmy Warden («The Babysitter: Killer Queen») ankreiden lassen, auf dessen Konto auch das pausenlose pointenfreie Possenreissen geht. Für das andere hingegen soll ruhig auch Elizabeth Banks («Charlie’s Angels») den Blondschopf hinhalten, die hinter der Kamera gar noch unglücklicher agiert als davor, wo sie immerhin relativ soliden Durchschnitt verkörpert. Die weitgehende Abwesenheit handwerklicher Grundtugenden versucht sie hier mit dem oft allzu harschen Einsatz von Horrorelementen zu kompensieren. Doch all die abgetrennten Gliedmassen, rausgerissenen Gedärme und aufgeplatzten Gesichtspartien vermögen dieses Schlamassel mit seinen willkürlich angeordneten Sequenzen und dem beliebig zusammengestellten Personal nicht in ein subversiv anarchisches Chaos zu verwandeln, dem so was wie Fokus und Struktur schlicht wurscht sein können. Vielmehr bleibt das selbst in den Momenten derbsten Exzesses und deftigster Ekstase gekünstelt wild und letztlich irgendwie zahm. Und so wird das natürlich nichts und bleibt bloss eines: ein einziges langes und zähes Scherzchen, dessen plumpe Punchline auch dadurch nicht besser wird, dass sie gefühlt endlos wiederholt wird.
 
High dem Tiefpunkt entgegen
 
Dass diese Punchline trotz der initialen Versicherung, das Folgende beruhe auf einer echten Begebenheit, gar nicht wahr ist? Das hingegen sei geschenkt. Der Vollständigkeit halber aber hier die richtige Geschichte: Im Dezember des Jahres 1985, in dem auch der Film spielt, wurde in besagtem Chattahoochee-Oconee-Nationalpark in Georgia, der hier vom lieblichen irischen Wicklow gedoubelt wird, ein toter Schwarzbär gefunden, neben dem 40 geöffnete Plastikbehälter mit Kokain lagen, die in der Tat aus der abgeworfenen Fracht des erwähnten Schmugglers Andrew C. Thornton stammten. Was der Bär vor seinem Drogentod denn so getrieben hat, ist derweil nicht bekannt. Es ist ihm aber zu wünschen, dass es erspriesslicher war als das, was das – grösstenteils fachmännisch – computeranimierte Exemplar erleben muss. Denn trotz der partytauglichen Substanz im Körper steppt dieser Bär nicht, sondern schleppt sich mehr und mehr dem nur für ihn nicht ganz so traurigen Ende entgegen. Dass dieses bereits nach schmalen 95 Minuten erreicht wird, ist die wohl einzige gute Nachricht von diesem kalauerverkrusteten Rohrkrepierer, der komisch krude beginnt, krass kopflos fortschreitet und schliesslich irrlichternd in einer kolossal kakofonen Katastrophe kulminiert.