Hut ab, Academy!

Von Sandro Danilo Spadini


Die technische Revolution «Avatar» war das Kinoereignis des Jahres – darin sind sich nicht nur Abermillionen von Zuschauern einig. Die Academy ist indes nicht primär dazu da, das Kino (also das Erlebnis) zu würdigen. Ihr vornehmster Auftrag ist es, dem Film selbst (also der Kunst) zu huldigen. Und der beste Film des Jahres hiess «The Hurt Locker» – darin wiederum waren sich Kritiker, Produzenten, Drehbuchautoren und Regisseure vor den Oscars einig geworden. Indem sich die Academy dem Befund von deren Verbänden anschloss, traf sie die einzig richtige Entscheidung. Mit den zusätzlichen Ehrungen für Regie, Skript und in drei weiteren Kategorien war es zudem eine unerwartet deutliche Entscheidung. Zu dieser gehörte freilich auch Mut: Man hat den Publikumsliebling verschmäht und an seiner Statt einen künstlerisch kompromisslosen Film ausgezeichnet, der sich nicht dem Massengeschmack andient. Einen Film zudem, der ein Zwanzigstel des «Avatar»-Budgets gekostet hat und ohne marktforscherische Publikumstests und monumentale Marketingkampagnen ausgekommen ist. Einen Film schliesslich, der abseits der Award-Saison bereits im Juni lanciert wurde – was in früheren Jahren unsinnigerweise ein sicherer Prämierungskiller war.


Es war also auch eine sympathische Wahl – und eine, die viele der Academy nicht zugetraut haben. Seit je und oft zu Recht wird dem obersten Filmgremium der Welt die Legitimation abgesprochen. Dies weil es von der Politik der grossen Studios beeinflusst sei und letztlich den entsprechend portierten Bombast bevorzuge. Bereits bei den beiden letzten Verleihungen ist die Academy diesem Ruf der Oberflächlichkeit indes nicht gerecht geworden. Ihre Mitglieder haben längst die Augen geöffnet und entdecken so vermehrt wieder kleinere Filme mit wichtigen Botschaften. Seit Sonntagnacht – wo auch in den Darstellerkategorien nur richtige Entscheidungen getroffen wurden – ist nun endgültig klar, dass der ernste Independent-Film jetzt auch Oscars Liebling ist. Die Verleihung 2010 hat neben «The Hurt Locker» somit noch einen zweiten grossen Sieger: die Academy.