Helden – gefeierte und gefallene

Mit Asif Kapadias «Diego Maradona» kommt demnächst ein absolutes Highlight des Subgenres Sportdokumentarfilm ins Kino. Hier eine Auswahl von artverwandten Streifen, die sportive Cineasten gleichfalls entzücken dürften.

Senna, 2010


Bevor sich Asif Kapadia Amy Winehouse und endlich Diego Maradona zuwandte, beleuchtete er mit faszinierendem Archivmaterial und überaus tiefsinnigen Interviews das Leben der Formel-1-Legende. Ein Meisterwerk! Und eine fast religiöse Erfahrung, die einem einen genialen Sportsmann und eine bewundernswerte Persönlichkeit sehr, sehr nahe bringen.

 

When We Were Kings, 1996


Dieses Oscar-prämierte Werk gilt manchem als beste Sportdoku aller Zeiten. Sie zeichnet auf sagenhaft packende Weise das vielleicht grösste Ereignis der Sportgeschichte nach: den Weltmeisterschaftskampf im Schwergewicht zwischen Muhammad Ali und George Foreman am 30. Oktober 1974 in Kinshasa, den sogenannten Rumble in the Jungle.

 

Once in a Lifetime, 2006


In den Siebzigerjahren gab es eine Zeit, da waren die Fussballer der New York Cosmos – unter ihnen Pelé und Beckenbauer – die populärsten und glamourösesten Gesellen im Big Apple und machten den Spielern der Yankees den Platz im Studio 54 streitig. In dieser Doku wird das so denkwürdige wie kurzlebige amerikanische Fussballwunder packend nachgezeichnet. Und mit dem unvergleichlichen Ex-Cosmos-Star Giorgio Chinaglia hat der Film sogar noch einen Bösewicht mit Mafiafilm-Potenzial.

 

The Armstrong Lie, 2013


Noch bevor Stephan Frears‘ «The Program» Lance Armstrong entzauberte, nahm sich Star-Dokufilmer Alex Gibney («Enron – The Smartest Guys in the Room») des siebenfachen Tour-de-France-Gewinners an: in einer geradezu gespenstischen Doku mit brutaler Wirkung. Es ist die komplette Entzauberung eines Mythos – und eine himmeltraurige Geschichte.

 

Red Army, 2014


Dies ist die Geschichte des grössten Eishockey-Teams aller Zeiten: der sowjetischen Übermannschaft zur Zeit des Kalten Kriegs. Erzählt wird diese Sport und Politik verquickende Geschichte aus der Sicht des damaligen Mannschaftscaptain Slawa Fetissow. Der Bösewicht ist ein Abwesender: Coach Wiktor Tichonow, der seinem Team zwar gleichsam Übermenschliches entlockte, dies aber mit geradezu unmenschlichen Methoden.

 

The Two Escobars, 2010


In dieser rasanten Doku verlinken die Brüder Jeff und Michael Zimbalist die Leben des kolumbianischen Drogenkönigs Pablo Escobar und des einstigen Nationalmannschaftscaptains Andrés Escobar, der nach seinem Eigentor an der WM 1994 von Schergen der Wettspielmafia umgebracht wurde. Enorm faszinierend und überaus clever ist es, wie sie die toxische Vermischung von Sport, Kriminalität und Politik in der «Narco-Soccer-Ära» aufzeigen.

Pantani: The Accidental Death of a Cyclist, 2014


Natürlich war auch Marco Pantani letztlich ein gemeiner Betrüger; doch anders als sein langjähriger Rivale Lance Armstrong handelte er nicht berechnend, sondern quasi aus der Not und den Zwängen eines korrupten Systems heraus. Das möchte Regisseur James Erskine in seinem überaus empathischen Porträt einer der verlorensten Sportlerseelen der Neuzeit klarmachen. Das gelingt ihm mal besser, mal schlechter. Jedenfalls aber bringt Erskine auch dank verblüffend umfangreichem Archivmaterial in das Enigma, das Marco Pantani war.

 

Bobby Fischer Against the World, 2011


Wie schmal der sprichwörtliche Grad zwischen Genie und Wahnsinn ist, wird selten so deutlich wie hier: in diesem naturgemäss und notwendigerweise vielschichtigen Porträt der Schachlegende Bobby Fischer, dessen Weltmeisterschaftskampf gegen Boris Spassky 1972 eine regelrechte Schachmanie in den USA auslöste – der später aber vollkommen dem Irrsinn anheimfiel und zu einem ziemlich verabscheuungswürdigen Monster wurde. In Ihrer Doku zeigt Regisseur Liz Garbus beides: das Genie. Und den Wahnsinn.

 

Tyson, 2008


Mit dem inzwischen vollkommen diskreditierten Regisseur James Toback und Box-Desperado Mike Tyson trafen sich hier zwei verwandte Seelen: zwei Männer, die in Extremen leben und denen Abstürze nicht fremd sind. Vielleicht deshalb kommt der Filmer dem Objekt seines Interesses so nah, dass es fast schon beklemmend ist. Was der «Tyson» auch und vor allem ist: erhellend. Nach diesem Film hat man wirklich eine recht gute Ahnung davon, wer Mike Tyson ist.

 

Maradona by Kusturica, 2008


Nochmals zwei, die sich gefunden haben: Dass Regisseur seinen eigenen Namen in den Filmtitel gesetzt hat, lässt tief blicken und mit Recht ein Ego vermuten, das jenem überlebensgrossen des Porträtierten in kaum was nach steht. Und trotzdem ist das in erster Linie eine enthusiastische und verspielte Hommage an einen der grössten Künstler des 20. Jahrhunderts. Immerhin verhehlt Kusturica nicht, dass Gott auch ein paar Fehler unterliefen, als er seinesgleichen schuf: Wenn Maradona wieder einmal unfassbaren Stuss quasselt, bleibt Kusturica am Ball. Das dann schon.