25
«Yellowstone» (2018–)
Ein Hauch von «Dallas» weht durch Montana und daselbst das monumentale Yellowstone-Anwesen, die nichts weniger als grösste Ranch der USA. Mit eiserner Hand geführt wird sie in sechster Generation
von John Dutton (Kevin Costner), einem Patriarchen und Raubtierkapitalisten reinsten Wassers, der sich aufführt, als stünde er noch breitbeinig in den Reagan-Achtzigern, und nach Gutsherrenart
nicht nur Politiker und Beamte korrumpiert und Feinde wie Verbündete zu Manövriermasse degradiert, sondern auch den eigenen Kindern seinen Willen aufzuzwingen pflegt. Es ist eine raue Welt, die
Thrillerspezialist Taylor Sheridan hier erschaffen hat – und oft genug auch eine verdorbene und gewalttätige, in der das Faustrecht herrscht, das Recht des Stärkeren. Nach bester
US-Seifenoper-Art sind hier nicht nur das Dekor und die Schauplätze «larger than life», sondern natürlich auch die Konflikte und Probleme.
24
«Justified» (2010–2015)
Auf der sehr kernigen und markigen Seite ist diese sechsstaffelige sprüchegewaltige Krimiserie aus der Kategorie «Hillbilly-Noir», die auf einer Kurzgeschichte von Elmore Leonard («Jackie Brown»)
beruht. Sie folgt mit lakonischem Galgenhumor und einem untrüglichen Gefühl für ihr öfters schäbiges Umfeld Sheriff Raylan Givens (Timothy Olyphant), der mit einer ganz eigenen Interpretation der
Gesetze in seinem Heimatkaff in Kentucky und den Appalachen für Ordnung sorgt.
23
«Borgen» (2010–2013)
Dass die Dänen nicht nur Krimi können, bewies dieses Politdrama während dreier Staffeln auf sehr eindrückliche Weise. Im Zentrum steht die Mitte-Politikerin Birgitte Nyborg (Sidse Babett
Knudsen), die zu Beginn der Serie unerwartet zur Premierministerin gewählt wird. Interessant ist freilich nicht nur, was auf Schloss Christiansborg im Zentrum der Macht geschieht; ebenso gebannt
folgt man dem Treiben von Spin-Doctors und Journalisten, das nicht minder hintertrieben ist als das der Politiker. Und ausnahmsweise sind hier sogar die Ausflüge ins Private von Belang und eine
Bereicherung.
22
«Dallas» (2012–2014)
Hier etwas Gescheites hinzukriegen, war eigentlich fast unmöglich. Doch das «Update» der legendärsten aller Achtzigerjahre-Serien hatte ein gutes Gespür und das perfekte Rezept, das Traditionelle
mit dem Modernen zu vermählen. So wurde nicht nur nostalgisch den alten Helden J.R., Bobby, Sue Ellen und Cliff gehuldigt; mit der Einführung zahlreicher latinostämmiger Figuren wurde etwa auch
der demografischen Entwicklung von Texas Rechnung getragen. Als Schmelz- und Kumulationspunkt dessen erwies sich die Besetzung der beiden neuen Hauptparts: Josh Henderson und Jesse Metcalfe waren
nichts weniger als perfekt in den Rollen der Söhne von J.R. und Bobby, die als Vertreter der nächsten Generation die Fehde ihrer Väter weiterführten. Mit dem Tod von Larry Hagman hatte die
Neuauflage ihre Daseinsberechtigung nach drei Staffeln freilich verwirkt. Dass der J.R.-Darsteller mit den Machern sein Ableben und mithin das seiner Figur vorab besprach und man so ein würdiges
Ende für den besten Fernseh-Bösewicht aller Zeiten fand, war ein grosser Trost und eine noch grössere Tat.
21
«The Deuce» (2017–)
Dass er ein Meister im Beschreiben von Milieus ist, hat Serienschöpfer David Simon, ein ehemaliger Journalist der «Baltimore Sun», mit «The Wire» bewiesen: dieser grossen amerikanischen
Geschichte, diesem Gesamtkunstwerk, dieser besten Serie der Nullerjahre. Hier widmet er sich nun dem «goldenen Zeitalter des Pornos» im New York der Siebzigerjahre. James Franco spielt zwei
Brüder – der eine Barbetreiber, der andere Kleinkrimineller –, Maggie Gyllenhaal eine Prostituierte, die zur Pornoregisseurin avanciert, und eine Armada von Charakterköpfen quasselt in
Siebzigerslang zum Soulsoundtrack dem Teufel ein Ohr ab und pafft und zecht und bumst um die Wette. Sie gehen dabei mit so viel Hingabe zu Werke, dass man den Schweiss und die Alkfahnen und den
Rauch durch den Flimmerkasten zu riechen meint. Und bei Gott, das ist erquicklicher, als es tönt.
20
«Bloodline» (2015–2017)
Die Schöpfer der Anwaltsserie «Damages» machten es sich hier für drei Staffeln im traumhaften Islamorada auf den Florida Keys gemütlich. Weil sie beim Erzählen dieses Thrillerdramas wiederum auf
den Trick mit den Vorblenden zurückgriffen, wissen wir relativ bald, dass es nicht gut ausgeht, wenn das schwarze Schaf Danny (Ben Mendelssohn) in den Schoss seiner Familie zurückkehrt. Getragen
von einem illustren Ensemble um Kyle Chandler, Sissy Spacek und Sam Shepard und spektakulär fotografiert, entwickelt die Serie bis zu ihrem gewagten, da fast experimentellen Finale einen
unwiderstehlichen Sog.
19
«Better Call Saul» (2015–)
In dem Spin-off zu «Breaking Bad» gehört einem die Show, der sie zuvor schon öfters gestohlen hat: dem bauernschlau-schmierigen Winkeladvokaten Jimmy McGill alias Saul Goodman. Und weil sein
Darsteller Bob Odenkirk hier nicht der einzige überragende Mime ist, die Drehbücher durchs Band wohldurchdacht sind und das hitzige New-Mexico-Feeling erhalten geblieben ist, kommt diese zwischen
Comedy und Drama oszillierende Serie verdammt nah ran an die Abenteuer von Walter White und Jesse Pinkman.
18
«Bosch» (2014–)
Das ist jetzt mal eine ausgezeichnete Idee: einem allseits geliebten Kriminalroman-Helden nicht eine Kinoreihe, sondern eine Fernsehserie zu geben. Seit 1992 schon und in bereits 21 Büchern
ermittelt der von Bestsellerautor Michael Connelly ersonnene kernige Kriegsveteran Hieronymus «Harry» Bosch in den schäbigen und schummrigen, mystischen und mysteriösen Ecken von L.A. Und nachdem
es sein Halbbruder Mickey Heller zu Beginn der letzten Dekade in «The Lincoln Lawyer» auch dank einer knackigen Performance von Matthew McConaughey zu einigem wohlverdientem Kinoruhm gebracht
hatte, fand man drei Jahre später bei den Amazon Studios, es sei an der Zeit, auch Bosch für das lesefaule Publikum zum Leben zu erwecken. Das Erfolgsgeheimnis der Serie ist neben dem
hochklassigen Ausgangsstoff die geradezu genial perfekte Besetzung der Hauptfigur: Titus Welliver wirkt, als sei er geboren worden für die Rolle des gerechtigkeitsliebenden altmodischen Cops der
Hollywood Division des LAPD, der auch mal die Regeln biegt und entsprechend immer wieder in den Clinch mit seinen Vorgesetzten gerät. Wohltuend ist dabei, dass Bosch sich mit schnoddriger
Widerspenstigkeit dagegen sträubt, sich ins Klischee des hartschalig-weichkernigen Bullen mit Hang zum besoffenen Grübeln zu fügen. Stattdessen geniesst er von der Terrasse seines Designerhauses
hoch oben in den Hollywood Hills aus die spektakuläre Aussicht über die Stadt der Engel, während er passend zum Lichtermeer eine seiner geliebten Jazzplatten auflegt. Und da sind wir dann bei den
anderen beiden grossen Stärken von «Bosch»: die smoothe Inszenierung von L.A. und der coole Soundtrack.
17
«The Good Fight» (2017–)
In dem Spin-off zu «The Good Wife» ist die wunderbare Julianna Margulies in der Rolle der gehörnten Gouverneursgattin Alicia Florrick zwar nicht mehr mit von der anwaltlichen Partie. Dafür
erlaubt sich die Serie einen etwas forscheren Ton, wenn sie über das juristische Geplänkel von Alicias Ex-Chefin Diane Lockhart (Christine Baranski) und vor allem deren namenloses Entsetzen über
Donald Trump Zeugnis ablegt. Auf welcher Seite das politische Herz der Macher hämmert, ist also kein grosses Geheimnis. Aber gerade diese mit Leidenschaft gepaarte Parteilichkeit ist es, die
zusammen mit einem wachen Zeitgeist und unvermindert smarten Skripts hier das «guilty pleasure», das ein klein bisschen «schuldige Vergnügen» ausmachen.
16
«Veep» (2012–2019)
Dass Donald Trump einmal Präsident der Vereinigten Staaten werden würde, hat sich auch Armando Iannucci bestimmt nicht albgeträumt, als er seine britische Serie «The Thick of It» für
amerikanische Verhältnisse adaptierte. Nun freilich muss seine Polit-Satire über eine komplett unfähige und amoralische Vizepräsidentin (Julia Louis-Dreyfus), für deren jalapeñoscharfe Dialoge
Iannucci wohl einen Waffenschein lösen musste, nachgerade als Prophezeiung des nihilistischen und vulgären Dilettantismus betrachtet werden, an den man sich mittlerweile schon fast gewohnt hat.
Wenn das nicht alles so gnadenlos lustig wäre, müsste man darüber bisweilen fast weinen.
15
«Goliath» (2016–)
Nicht unähnlich der ebenfalls von Amazon produzierten Krimiserie «Bosch» ist auch «Goliath» ein höchst stimmungsvoller Streifzug durch L.A. und sein Umland, auf dem die touristischen Hotspots und
die Welt der Reichen und Schönen ebenso abgeklappert werden wie die schummrigen Winkel und schmierigen Ecken mit ihren Stritzis und Strolchen, den traurigen Träumern und gefallenen Engeln. Billy
Bob Thornton als versoffenen, kettenrauchenden Zyniker zu besetzen – das ist jetzt zugegebenermassen nicht der peppigste Casting-Einfall aller Zeiten. Aber der aus höchsten Gefilden abgestürzte
Anwalt Billy McBride ist eben mehr als nur das: Er ist auch eine versehrte Seele, ein nicht mal ganz so übler Vater und vor allem letzten Endes ein ziemlich lieber Kerl, dessen scheinbare
Gleichgültigkeit man auch als Gelassenheit lesen kann; Billy will einfach nur unbehelligt leben und lässt dafür die anderen auch geradeso leben, wie sie das möchten. «Goliath» ist also
zweifelsohne Billy Bob Thorntons Show – es ist das sein bester Auftritt seit Langem, ziemlich sicher sogar seit «Bad Santa» und mithin anderthalb Jahrzehnten; jedenfalls haben sie ihm für diese
tiefgründige, vielschichtige und doch schnoddrig-coole Performance mit allem Recht der Welt 2017 den Drama-Golden-Globe zugesprochen.
14
«Broadchurch» (2013–2017)
Die erste und die dritte Staffel dieses im besten Sinne traditionellen britischen Krimis sind eine Wucht: In einem bestechend fotografierten pittoresken Setting im Südwestens England wird bei der
Jagd auf den Mörder eines 11-jährigen Jungen respektive den Vergewaltiger einer Mittvierzigerin sorgfältig und behutsam ein grandioser Spannungsbogen aufgezogen, der auch für die Ermittler (David
Tennant und Oscar-Preisträgerin Olivia Colman) gröbere Kämpfe und üble Überraschungen bereithält. Die mehr auf die Juristerei fokussierende Mittelstaffel hingegen ist kaum der Rede wert.
13
«Line of Duty» (2012–)
Diese britische Krimiserie um Korruption in den obersten Polizeichargen schafft das seltene Kunststück, von Staffel zu Staffel besser zu werden. In ihrem Zentrum stehen die
Anti-Korruptions-Abteilung AC-12 und die Inspektoren Steve Arnott (Martin Compston) und Kate Fleming (Vicky McClure) sowie deren Chef Ted Hastings (Adrian Dunbar). Die eigentliche Hauptfigur
indes wechselt jede Staffel: Nicht nur die Guten und Aufrechten sind es, die sich hier redlich unsere Aufmerksamkeit verdienen, sondern fast mehr noch jene, die zumindest teilweise vom rechten
Pfad abgekommen sind und das Objekt der stets wendungsreichen Ermittlungen sind. Am Ende jeder Staffel ist ein Handlungsblock zwar abgeschlossen; der grosse Spannungsbogen ist dann aber jeweils
nochmals ein Stück weiter gespannt.
12
«The Killing» (2011–2014)
US-Remakes stehen bei Film- und auch Serienfreunden nicht eben hoch im Kurs. Dieses hier freilich schafft es, dem dänischen Krimi-Meisterwerk «Forbrydelsen» um Kommissarin Lund in Sachen barer
Spannung und schierer Qualität um ein Haar das Wasser zu reichen. Getragen und getrieben von den klasse Hauptdarstellern Mireille Enos und Joel Kinnaman, erzählt die nach Seattle transferierte
Serie in der ersten Staffel zwar in grossen Teilen die Handlung des Originals nach – aber eben nur in grossen Teilen und obendrein in derart kompetenter und atmosphärisch dichter Weise, dass die
üblichen puristischen Amerika-Klagen erst gar nicht aufkommen. Dass dieses hohe Niveau trotz schwieriger Produktionsbedingungen und immer wieder unsicherer Zukunft über sämtliche vier Staffeln
hinweg aufrechterhalten werden konnte, ist dann grad nochmals ein ziemlich starkes Stück.
11
«True Detective» (2014–)
Diese sogenannte Anthologie-Serie aus der Feder von Nic Pizzolatto ist vielleicht das kinematischste Stück Fernsehen, das es im zu Ende gehenden Jahrzehnt zu bewundern gab. Dies nicht nur, weil
in puncto Darsteller gröberes Geschütz aufgefahren wird mit den Oscar-Preisträgern Matthew McConaughey und Mahershala Ali sowie Stars wie Woody Harrelson, Rachel McAdams oder Vince Vaughn;
sondern auch, weil Regisseure wie Cary Joji Fukunaga («Sin nombre») ganz offenkundig in Kinobildern denken. Da es zum Konzept dieser Form von Serien gehört, in jeder Staffel eine neue Geschichte
mit gänzlich neuem Personal zu erzählen, ist eine gewisse Heterogenität programmiert. Während hier die erste Staffel über die 17 Jahre währenden Ermittlungen zu einem Serienkiller in Louisiana
und die dritte Staffel über das gar 35 Jahre umspannende Rekonstruieren eines Falls vermisster Kinder in den Ozarks meisterhaft geraten sind, fällt die in Los Angeles angesiedelte, allzu
dialoglastige zweite Staffel ein wenig ab. Eine einfache Serie ist das jedenfalls nicht. Ihre doppelbödigen Geschichten vermittelt sie mit einer geradezu minutiösen, gleichsam forensischen und
dokumentarischen Detailversessenheit. Aber genau das macht sie so einzigartig.
10
«True Detective» (2014–)
Der Star dieser aufwendig und hochklassig produzierten, aber wenig prominent besetzten Krimiserie, die sich mit der Etablierung der Kriminalpsychologie beim FBI in den späten Siebzigerjahren
befasst, sitzt hinter der Kamera. Denn neben Grössen wie Andrew Dominik («Killing Them Softly»), Asif Kapadia («Senna») oder Carl Franklin («Out of Time») führt hier in sieben von neunzehn Folgen
kein Geringerer als Thrillermeister David Fincher («Se7en») Regie. Entsprechend kinohaft wirkt das auf einem Sachbuch basierende Geschehen, das zu einem guten Teil aus Befragungen inhaftierter
Serienkiller durch die beiden quer durchs Land reisenden FBI-Agenten Holden Ford (Jonathan Groff) und Bill Tench (Holt McCallany) besteht, aber auch immer wieder aktuelle Ermittlungen lokaler
Polizeibehörden einflicht. Ein atmosphärischer Horrortrip in die zappendusteren Abgründe der kränksten aller kranken Killer ist das und zugleich eine zutiefst faszinierende Zeitreise.
9
«Bron/Broen» (2011–2018)
Was bei dieser dänisch-schwedischen Krimiserie ins Auge sticht, sind sicherlich die superspannenden Drehbücher, die stimmungsvolle Inszenierung und das spezielle Figurenensemble um die sozial
herausgeforderte Inspektorin Saga Norén (Sofia Helin). Was einem am Ende der vierten und letzten Staffel bei genauerem Überlegen aber schliesslich die Spucke wegbleiben lässt, ist die sagenhafte
Konstanz, mit der hier über 38 Episoden ein allerhöchstes Niveau gehalten worden ist. Fünf Nachahmer gibt es mittlerweile; zuletzt versuchte es die österreichisch-deutsche Produktion «Der Pass».
Kein Wunder, denn auch das Konzept mit einem Leichenfund auf der Grenze zweier Länder und der daraus resultierenden Zusammenarbeit der entsprechenden Inspektorate ist bestechend.
8
«Rectify» (2013–2016)
Das war eine der erstaunlichsten (und bestbewerteten) Serien der letzten Jahre, die freilich etwas unter dem Radar lief. Über 30 Folgen und vier Staffeln schildert sie in überaus ruhigem Ton und
mit sicherem Gespür für die Befindlichkeiten in der amerikanischen Provinz die Wiedereingliederung des nach 19 Jahren aus der Todeszelle entlassenen Daniel Holden (Aden Young): eines verlorenen
Mittdreissigers, der einstweilen wohl frei ist, aber nach dem ihm von verschiedener Seite nach wie vor angelasteten Mord an seiner Highschool-Freundin wohl für ewig gebrochen sein wird. Ihre
Kraft und ihre Stärke bezieht die in bittersüsse Schönheit getauchte Serie daraus, dass sie nicht die Konfrontation sucht, sondern nüchtern und in allen erdenklichen Grautönen zu zeigen versucht,
wie solch eine Tragödie und deren Aufarbeitung unbescholtene, gewöhnliche Menschen in einen permanenten Ausnahmezustand der Verwirrung versetzen. Elegant inszeniert, intelligent erzählt und
clever konstruiert, ist dieses Drama letztlich eine hypnotisch-tiefgründige und zum kontemplativen Sinnieren einladende Ode an die Menschlichkeit.
7
«Fargo» (2014–)
Die Coen-Brüder fungieren bei dieser auf ihrem Kinoklassiker von 1996 beruhenden Anthologie-Serie zwar nur als Produzenten; doch Serienschöpfer, Starschreiber und Gelegenheitsregisseur Noah
Hawley stellt hier seit nunmehr drei Staffeln sicher, dass all die charakteristischen Coen-Ingredienzien, also etwa der schwarze Humor, die Boshaftigkeit gegenüber den Figuren und die
atmosphärische Dichte des Settings, aus jeder Sequenz quellen. Alle drei bisherigen Staffeln sind wie der Film in Minnesota und den Dakotas angesiedelt, und alle spielen sie in der Vergangenheit:
2006, 1979 und 2010. Wie in den Coen-Filmen laufen auch hier die Darsteller der überwiegend skurrilen Figuren zu grosser Form auf, wenn sie sich im Schneegestöber und Kugelhagel durch einen
wendungsreichen Plot hangeln, der immer auch ein bisschen mit dem Absurden flirtet.
6
«This Is Us» (2016–)
Man könnte diese von «Crazy. Stupid. Love»-Autor Dan Fogelman kreierte Tragikomödie über drei ungleiche Geschwister und ihre Eltern als die «definitive» Familienserie bezeichnet: Was hier auf
drei verschiedenen Zeitebenen auf den Tisch und zur Sprache kommt, wird in der einen oder anderen Form nicht nur in jedem amerikanischen Zuhause gelebt und zelebriert, aus- und durchgestanden.
Entsprechend hoch ist das Identifikationspotenzial. Was diese eher traditionell und nicht übermässig «fancy» daherkommende Serie ausserdem meilenweit von der Masse abhebt, sind die gewitzten
Dialoge, die liebenswerten Figuren mitsamt ihren erfrischenden Darstellern und eine exquisite Auswahl an wohlplatzierten Folksongs; vor allem aber ist es das sagenhaft zuverlässige Gespür, im
richtigen Moment das Richtige auf die richtige Art zu sagen.
5
«The Leftovers» (2014–2017)
Nur gerade 28 Folgen über drei Staffeln verteilt waren dieser Mysteryserie von «Lost»-Schöpfer Damon Lindelof und Autor Tom Perrotta vergönnt. Jede einzelne davon war indes ein kleines Kunstwerk
für sich: von der thematischen Tiefe über die eine gespenstische Stimmung erzeugende Regie und das brillante Ensemble um Justin Theroux und Carrie Coon bis zur berückenden Musik von Max Richter.
Kein Wunder, sehen nicht wenige dieses Drama über das synchrone spurlose Verschwinden von zwei Prozent der Menschheit und dessen Nachwirkungen als eine der besten Serien aller Zeiten. Den
Kultstatus und die entsprechende loyale Anhängerschaft hat diese bisweilen surreale Meditation über Schuld und Trauer jedenfalls schon längst auf sicher.
4
«The Americans» (2013–2018)
Diese Serie über zwei sowjetische Spione (Keri Russell und Mathew Rhys), die sich während des Kalten Kriegs als durchschnittliche amerikanische Vorortsfamilie mit zwei Kindern tarnen, beginnt gar
nicht mal so spektakulär. Doch im Laufe der insgesamt sechs Staffeln entwickelt sich ein Sog, dass einem bald einmal der Kopf schwirrt – zumal man schnell Sympathien für die beiden entwickelt hat
und sich so immer wieder dabei ertappt, dass man als Westler eigentlich mit der «falschen» Seite mitfiebert. Clever konzipiert und geschrieben ist das, gerade auch, weil das so stimmungsvoll in
matte Farben getunkte triste Achtziger-Flair einen in eine Zeit zurückkatapultiert, in der die Grenzen zwischen Gut und Böse in Kino und Fernsehen noch ungleich straffer gezogen wurden. Das waren
freilich auch Zeiten, in denen es Serien von dieser konstant überragenden Qualität noch nicht gab.
3
«Homeland» (2011–)
Es ist eine lange Reise, die wir mit der bipolaren CIA-Agentin Carrie Mathison (Claire Danes) mitgemacht haben: entbehrungs- und ereignisreich für die immer wieder ausser Kontrolle geratende
Kämpferin gegen den nationalen und internationalen Terror; lehr- und spannungsreich für uns, die wir während der Achterbahnfahrt dieser untypischen Heldin nie recht wissen, ob wir nun mitleidig
den Kopf schütten oder anerkennend nicken sollen. Der andere grosse Trumpf neben der vielschichtigen Figurenmodellierung ist in diesem Remake einer israelischen Serie, dass es sich immer wieder
frisch zu erfinden weiss und so in noch jeder seiner bisher sieben Staffeln stets aufs Neue mit smarten Szenarien aufwarten konnte. Das war nach dem eigentlichen Abschluss des ersten grossen
Spannungsbogens am Ende der zweiten Staffel so nicht zu erwarten. Aber wie Carrie ist auch dieser Spionagethriller eben ziemlich unberechenbar.
2
«House of Cards» (2013–2018)
Klar, die sechste und letzte Staffel dieser Politsaga von Beau Willimon, die ohne ihren #MeToo-bedingt gefeuerten Hauptdarsteller und Produzenten Kevin Spacey auskommen musste, war eine
regelrechte Katastrophe, eine fixfertige Zumutung. Doch können diese letzten acht hingehudelten Episoden die kühle und harte formale wie inhaltliche Brillanz des Vorangegangenen mitnichten
auslöschen. Spektakulär war ja schon der Start dieses Remakes einer britischen Miniserie von 1990, genauer die ersten beiden Folgen, die kein Geringerer als Regiegott David Fincher («Se7en»)
inszenierte. Was folgte, war ein politisches Schachspiel, das nicht so sehr vom Anspruch an einen möglichst hohen Realitätsgehalt beseelt war – sondern maximales Drama suchte: griechisch,
biblisch und shakespearisch, mit dem machiavellistischen Manipulator Francis Underwood im Zentrum der Macht. In der Rolle dieses maximal skrupellosen Zynikers brillierte Spacey, der sich da schon
längst zu zwei Oscars und unzähligen weiteren Galaauftritten auf der grossen Leinwand brilliert hatte, wie nie zuvor. Schade, dass es so enden musste.
1
«Twin Peaks: The Return» (2017)
Als Mark Frost und David Lynch am 6. Oktober 2014 simultan «It is happening again» twitterten, löste das ein Beben aus. Denn es hiess: Ihr Opus Magnum «Twin Peaks», die vielleicht
einflussreichste Serie der Fernsehgeschichte, würde ein Vierteljahrhundert nach seiner 30. und letzten Folge und einem absolut niederschmetternden Finale («How’s Annie?») wiederkehren. Die
Euphorie in der kleinen, aber sektenähnlichen Gefolgschaft erhielt freilich schon bald gröbere Dämpfer: zum einen durch das Ableben einiger der liebsten Schauspielmitglieder der «Twin
Peaks»-Familie und zum anderen durch den zwischenzeitlichen Ausstieg von David Lynch. Als dieser schliesslich zum Projekt zurückkehrte, war selbiges von 9 und 18 Stunden angewachsen, und der
vierfach Oscar-nominierte Zar des Bizarren, der beim Original lediglich sechs Folgen inszeniert hatte, sollte bei allen Regie führen. Nun schossen die Erwartungen der Community endgültig durch
die Decke. Doch als die ersten vier Folgen nach einer schier endlosen Wartezeit am 21. Mai 2017 tatsächlich ausgestrahlt wurden, herrschte mancherorts, ja vielerorts auf einmal konsternierte
Ernüchterung. Alles war anders: Agent Cooper, dieser meditierende Pfadfinder, war nicht nur ein anderer, sondern zwei andere; sein wunderbarer Sidekick Sheriff Truman hiess nicht mehr Harry,
sondern Frank; es wurden weder Kaffee noch Donuts noch Kirschkuchen gereicht; es gab keinen cooljazzigen Soundtrack; Eulen waren nirgends zu sehen; der 25 Jahre alte Cliffhanger wurde schlicht
ignoriert; und die meisten Szenen spielten nicht einmal in Twin Peaks, und in der halben Handvoll, die es doch taten, war diese Kleinstadt im pazifischen Nordwesten nicht mehr winterlich
wolkenverhangen, sondern erstrahlte im Glanz der sommerlichen Sonne. Mit anderen Worten: David Lynch und sein für die Skripts mitverantwortlicher Kompagnon Mark Frost hatten so gut wie alles, was
«Twin Peaks» ausmacht, über Bord geworfen, abgelegt wie Agent Cooper seinen Regenmantel, und sie schienen zu keinerlei Kompromissen bereit und in ihrem hehren Streben nach totaler künstlerischer
Integrität keinen Gedanken zu verschwenden an den so sehnlichst herbeigewünschten Fanservice. Das war schmerzhaft, keine Frage: Man hatte 25 Jahre auf «Twin Peaks» gewartet und bekam nun etwas
völlig anderes serviert. Etwas, das man recht eigentlich «The David Lynch Show» nennen konnte: das definitive Werk dieses Universalkünstlers, in dem alle seine Lieblingsmotive und Obsessionen an
einem Ort «both wonderful and strange» ihren Platz fanden. Und manchem dämmerte erst da, dass «Twin Peaks» damals nicht einfach Lynchs Baby, sondern ein Gemeinschaftswerk mehrerer Autoren und
Regisseure war. Hier jedoch hatten einzig und allein Lynch und Frost die Kontrolle. Und sie betonten immer wieder, man solle «The Return» nicht als eine Serie mit 18 Episoden, sondern als einen
18-stündigen Film betrachten. Was sie damit meinten, erschloss sich einem spätestens bei einem zweiten (Marathon-)Durchgang: Befreit von Erwartungen und Enttäuschungen, fanden (fast) alle
Elemente plötzlich zueinander, hatte (fast) alles seinen Sinn. Womit freilich nicht gemeint ist, dass man auch verstehen würde, was da zum Henker vor sich geht. Das zu ergründen, liefert nun
wieder auf Jahre und Jahrzehnte hinaus Stoff für leidenschaftliches Theorisieren in der wohl durchaus leicht dezimierten Community. Und auch wenn eine Lösung illusorisch scheint, ein Knacken
dieses Rätsels im Rätsel, dieses Traums im Traum unmöglich ist: Wenn man sich so auf «The Return» einlässt, wie man sich auf Lynchs Kino-Geniestreiche eingelassen hat, erspürt und erahnt man
schon irgendwie, was das alles soll. So wie man spürt, dass man hier ein Kunstwerk vor sich hat, wie man es höchstens einmal alle zehn Jahre zu Gesicht bekommt.
1. «The Wire» (2002–2008)
2. «Mad Men» (2007–2015)
3. «The Shield» (2002–2006)
4. «Friday Night Lights» (2006–2011)
5. «24» (2001–2010)
6. «Breaking Bad» (2008–2013)
7. «Forbydelsen» («The Killing) (2007–2012)
8. «Damages» (2007–2012)
9. «Dexter» (2006–2013)
10. «Wire in the Blood» (2002–2009)
11. «Coupling» (2000–2004)
12. «KDD» (2007–2010)
13. «The Office» (2001–2003)
14. «The Office» (US-Version) (2005–2013)
15. «Engrenages» («Spiral») (2005–)
16. «Lost» (2004–2010)
17. «The Good Wife» (2009–2016)
18. «The Big Bang Theory» (2007–2019)
19. «Arrested Development» (2003–)
20. «Parks and Recreation» (2009–2015)
21. «Waking the Dead» (2000–2011)
22. «Six Feet Under» (2001–2005)
23. «Alias» (2001–2006)
24. «Entourage» (2004–2011)
25. «Ashes to Ashes» (2008–2010)