Blackout

 

In der ganzen berechtigten Euphorie über das nun schon zwei Jahrzehnte währende güldene TV-Serien-Zeitalter ist er ganz in Vergessenheit geraten, weil zumindest in den USA in der televisionären Versenkung verschwunden: der gute alte Fernsehfilm. Seine Blütezeit erlebte er in den Sechziger- und Siebzigerjahren mit Formaten wie dem «ABC Movie of the Week», in dessen Rahmen etwa der 25-jährige Steven Spielberg mit dem Highway-Thriller «Duel» sein Debüt als Regisseur gab. Wie das Krimi-Schmuckstück «Blackout» (1985) zeigt, war sein Ruf aber auch in den Achtzigerjahren noch absolut intakt. Darauf deutet zumindest die geradezu spektakuläre Besetzung des 90-minütigen Films hin: Keith Carradine («Nashville»), Richard Widmark («Kiss of Death») und Kathleen Quinlan («Breakdown») geben sich hier die Ehre; Regie führte Douglas Hickox («Theater of Blood»), und fotografiert wurde der Film von Starkameramann Tak Fujimoto («Badlands», «The Sixth Sense»).

Aussergewöhnlich für einen Fernsehfilm ist auch, wie schauerlich die Geschichte von «Blackout» ist: Ein unbescholtener Vorortsbürger aus Ohio erschlägt am fünften Geburtstags seines Jüngsten seine Frau und seine drei Kinder mit einem Baseballschläger und positioniert die Opfer wie die Figuren eines Gruselkabinetts auf dem Sofa vor dem laufenden Fernseher. Für Polizeiinspektor Steiner (Widmark), ein Whiskey liebendes Raubein mit ausgeprägtem Gerechtigkeitssinn, wird das Aufklären dieses Gräuelverbrechens zur Lebensaufgabe, an der er freilich zu scheitern droht. Erst sechs Jahre später, mittlerweile im Zwangsruhestand, stösst er auf eine vielversprechende Spur, die ihn in die Nähe von Seattle führt: Beim sympathischen Immobilienmakler Allen Devlin (Carradine) kommt nicht nur das Optische einigermassen hin; er hat sich auch ein Leben aufgebaut, das quasi identisch ist mit jenem des Vierfachmörders von damals. Der Clou an der Sache und an dem Film ist, dass Devlin es selbst nicht ausschliessen kann, dass er vor Jahren zur Bestie geworden ist: Kurz nach der Tat war er in einen Unfall verwickelt, der ihn komplett entstellt und all seiner Erinnerungen beraubt hat. Indes könnte er auch Opfer einer Intrige des örtlichen Polizeichefs (Michael Beck) sein, dem er nach seiner Genesung einst die Freundin (Quinlan) ausgespannt hatte. Es ist ein verzwicktes Rätsel, für dessen Lösen Regisseur Hickox nicht exklusiv auf das clevere, wenn auch nicht übermässig glaubwürdige Skript vertrauen mag; vielmehr erweist er sich auch als ein veritabler Master, wenn es darum geht, Spannung und Stimmung aufzubauen. Schon in der Eröffnungsszene, wenn die Nachbarin den grauslichen Fund macht, lässt er sich massig Zeit und steigert so gleichsam sadistisch Sekunde um Sekunde die Suspense. Und in diesem Takt geht es dann oben im herbstlichen und gerne nächtlichen pazifischen Nordwesten nahtlos weiter. Das strapaziert gehörig die Nerven, spannt sie zum Zerreissen und zerfetzt sie endlich in einem Finale, das vielleicht mutiger und raffinierter sein könnte, aber auch so passt – und nichts daran ändert, dass man dieses Schocker einfach nicht mehr aus dem Kopf kriegt. Ach, der gute alte Fernsehfilm!