Flamingo Road

 

Dass man aus Richard Wilders Romanvorlage von 1942 fast vier Jahrzehnte später eine Soap-Opera fabrizieren würde, macht rückblickend betrachtet durchaus Sinn. Dass diese es trotz Cracks wie John Beck («Dallas»), David Selby («Falcon Crest») oder Morgan Fairchild («Dallas» und «Falcon Crest») auch angesichts der übermächtigen Konkurrenz dann nur auf zwei Staffeln bringen würde, war indes kein übermässiges Unglück. Schliesslich gibt es noch dieses wundervolle Film-noir-Drama aus dem Jahr 1949 von «Casablanca»-Regisseur Michael Curtiz, das ebenfalls auf Wilders Roman und der später daraus adaptierten Bühnenversion basiert. Die unvergleichliche Joan Crawford, die vier Jahre zuvor unter Curtiz bereits in «Mildred Pierce» brilliert hatte, läuft hier in der Rolle der Tingeltangeltänzerin Lane Bellamy abermals zu absoluter Hochform auf. Wobei sie in dem nicht eben vital und viril wirkenden Sydney Greenstreet nicht nur einen ebenso gut aufgelegten Sparringspartner hat, sondern in dem von ihm verkörperten herzlos mauschelnden Kleinstadt-Sheriff Titus Semple auch einen würdigen Gegenspieler, der es sich von aller Anfang an zum Ziel gesetzt hat, Lane aus der Stadt, aus «seiner» Stadt, zu verjagen. Dies nicht zuletzt darum, um sie von seinem Zögling Field Carlisle (Zachary Scott) fernzuhalten. Diesen möchte Semple zum Senator aufbauen, damit er ihm als Marionette zur Machtsicherung dienen möge. Doch dafür braucht dieser zunächst den passenden Leumund; und dazu trägt eine Affäre mit einer wie Lane ganz sicher nicht bei.

«Flamingo Road» wurde seinerzeit von der Kritik zerrissen. Und auch Crawford selbst meinte später: «Ein weiterer Reinfall. Das Drehbuch war schlecht, Curtiz war schlecht, ich war schlecht.» Hauptkritikpunkte waren angebliche Logiklöcher in der Handlung und der Figurenzeichnung. Doch das ist nun wirklich Lamentieren auf allerhöchstem Niveau! Mag sein, dass richtige Menschen eher nicht so agieren wie die Protagonisten dieses Lehrstücks über die skrupellosen Mechanismen von Macht und Politik. Doch wen interessieren schon richtige Menschen, wenn man einer Leinwandgöttin wie Crawford dabei zusehen darf, wie sie als abgehalfterte Aussenseiterin vom Zirkuszelt im Verlauf von rund anderthalb Stunden in die Luxusvilla des mächtigsten Politstrategen des Staates emporklettert, wie sie sich als Mädel von der «wrong side of the tracks» aus schäbigen Strassenkleidern schält, sich an der Prestige symbolisierenden titelgebenden Flamingo Road in einen voluminösen Nerz wirft und bei alledem immer unsere Heldin, die unumstrittene Sympathieträgerin bleibt. Und es mag ja ebenfalls sein, dass im richtigen Leben die Verhältnisse fester zementiert sind und eine einfache Kellnerin und Tänzerin wie Lane einem Schlachtross wie Semple nicht derart Paroli bieten kann. Aber wen kümmert das bitte sehr, wenn man dafür solche Bonmots wie dieses serviert bekommt: «Schauen Sie, ich vergesse nie etwas.» – «Ach wissen Sie, Sheriff. Wir hatten im Zirkus mal einen Elefanten mit einem solchen Gedächtnis. Er ging auf einen Wärter los, gegen den er fast 15 Jahre lang einen Groll hegte. Er musste erschossen werden. Und Sie glauben gar nicht, welche Probleme es mit sich bringt, einen toten Elefanten zu beseitigen.» Sehen Sie? Und deshalb also: Zum Teufel mit dieser elenden, Filmmagie-feindlichen Logik und ein Hurra auf dieses Filmjuwel aus Hollywoods goldener Ära.