Goliath

 

Billy Bob Thornton als versoffenen, kettenrauchenden Zyniker zu besetzen – das ist jetzt zugegebenermassen nicht der peppigste Casting-Einfall aller Zeiten. Aber der aus höchsten Gefilden abgestürzte Anwalt Billy McBride, den Thornton seit 2016 und nunmehr drei Staffeln in der Amazon-Serie «Goliath» gibt, ist eben mehr als nur das: Er ist auch eine versehrte Seele, ein nicht mal ganz so übler Vater und vor allem letzten Endes ein ziemlich lieber Kerl, dessen scheinbare Gleichgültigkeit man auch als Gelassenheit lesen kann; Billy will einfach nur unbehelligt leben und lässt dafür die anderen auch geradeso leben, wie sie das möchten. Das heisst: wenn sie denn nicht solche Schweinereien anstellen wie der Waffenkonzern in der ersten Staffel, der von seiner ehemaligen Kanzlei und daselbst unter anderem von seiner Ex-Frau (Maria Bello) und seinem ihn mittlerweile abgrundtief hassenden Ex-Partner (William Hurt) vertreten wird. Einen übermächtigen, eben Goliath-haften Gegner hat Billy selbstredend auch in den beiden anderen Staffeln, die zwar ebenfalls den Kampf gegen die Windmühlen der Justiz thematisieren, im Gegensatz zu der vergleichsweise traditionell gehaltenen ersten gleichwohl neuere, zeitgemäss gewagtere Pfade beschreiten: In der etwas schwächeren zweiten Spielzeit, in der es bisweilen überaus ruppig zu- und hergeht, ist es ein mexikanisches Drogenkartell, das auf vertrackte Weise mit der angehenden Bürgermeisterin von Los Angeles (Ana de la Reguera) verbandelt ist; und in der öfters mal halluzinogenen dritten Staffel, der künstlerisch bislang avanciertesten, bietet Billy draussen im kalifornischen Central Valley einem milliardenschweren Landwirtschafts-Tycoon (Dennis Quaid) die Stirn, der seinen Nachbarn buchstäblich das Wasser abgräbt.

«Goliath» ist also zweifelsohne Billy Bob Thorntons Show – es ist das sein bester Auftritt seit Langem, ziemlich sicher sogar seit «Bad Santa» und mithin anderthalb Jahrzehnten; jedenfalls haben sie ihm für diese tiefgründige, vielschichtige und doch schnoddrig-coole Performance mit allem Recht der Welt 2017 den Drama-Golden-Globe zugesprochen. Der Star ist aber hier nicht allein auf weiter Flur. Da sind die angesprochenen zeitlich begrenzten Engagements von Gaststars wie Hurt, Bello und Quaid (zu denen sich noch knackige Gustostückerl etwa von Dwight Yoakam, Graham Greene, Amy Brenneman, Mark Duplass, Beau Bridges, der wunderbaren Molly Parker, der sagenhaft talentierten Olivia Thirlby und der abgetauchten «Twin Peaks»-Ikone Sherilyn Fenn gesellen); vor allen Dingen aber wissen auch die übrigen Stammspielerinnen zu gefallen: Nina Arianda als Billys immer ein bisschen genervte Partnerin, die sich trotz ihres typischerweise eher unpraktischen Schuhwerks glänzend auf den gepflegten Arschtritt versteht; Tania Raymonde als taumelndes Callgirl, das für den aus einer Bar und einem Motelzimmer heraus operierenden Billy nicht nur das Sekretariat, sondern dann und wann auch «Spezialaufträge» erledigt; oder Diana Hopper als Teenagertochter, die tatsächlich nicht nervt. Immer wieder grandios ist freilich auch, was die Regie hier leistet, allen voran der Fernsehroutinier Lawrence Trilling («Alias», «Damages», «Rectify»), der 16 der total 24 Folgen inszeniert hat. Nicht unähnlich der ebenfalls von Amazon produzierten Krimiserie «Bosch» ist auch «Goliath» ein höchst stimmungsvoller Streifzug durch L.A. und sein Umland, auf dem die touristischen Hotspots und die Welt der Reichen und Schönen ebenso abgeklappert werden wie die schummrigen Winkel und schmierigen Ecken mit ihren Stritzis und Strolchen, den traurigen Träumern und gefallenen Engeln.