Das soll mal einer nachmachen: dass eine Generation von Jugendlichen nostalgisch auf eine Epoche blickt, die sie gar nicht erst live miterlebt hat. Eine Sternstunde der Erzähl-, aber auch der
Inszenierungskunst ist das, was die «The Wonder
Years»-Schöpfer Carol Black und Neal Marlens in Zusammenarbeit mit einem halben Heer an Regisseuren und Schreibern da vollbracht haben. Das neu aufgeloderte Sehnen nach der Hippiekultur
mitsamt ihrer Musik ist freilich mitnichten nicht das einzige grosse Verdienst dieser herzerwärmenden, stimmungsvollen, schlicht wunderbaren Serie, die von 1988 bis 1993 in 115 knapp 20-minütigen
Folgen den Teenager Kevin Arnold (Fred Savage) beim Aufwachsen in den späten Sechzigern und frühen Siebzigern in einem kalifornischen Mittelklasse-Vorort begleitet. Als ihr Vermächtnis gelten
auch innovative formale Konzepte wie das Durchbrechen der sogenannten vierten Wand oder die als Icherzähler fungierende erwachsene Version der Hauptfigur, deren sich später auch Hitshows wie «How
I Met Your Mother» bedienen sollten. Und obendrein fungierte sie als Sprungbrett für die Karrieren von Leuten wie Juliette Lewis, Giovanni Ribisi oder David Schwimmer.
Wiewohl der Fokus von «The Wonder Years» die meiste Zeit auf Zwischenmenschlichem liegt, auf Kevins Freundschaft mit dem nerdigen Nachbarsjungen Paul (Josh Saviano), den Rangeleien mit dem
prolligen Bruder Wayne (Jason Hervey), den Versuchen der Annäherung an den knorrigen Vater (Dan Lauria) und über allem dem immer und ewig währenden Schwärmen für seine erste und grösste Liebe
Winnie (Danica McKellar): Ihre vielleicht erinnerungswürdigsten Momente hat die Serie, wenn sie die bewegten politischen und gesellschaftlichen Zeiten in unser Bewusstsein rückt. Das kann ganz
konkret geschehen, etwa in den Diskussionen zwischen der vom Hippie-Zeitgeist beseelten Schwester Karen (Olivia D’Abo) mit dem gutbürgerlichen Rest der Familie oder mit der Thematisierung
einschneidender zeitgeschichtlicher Ereignisse wie der Ermordung Martin Luther Kings; bisweilen passiert das aber auch nur implizit, ist es ein schleichender Prozess, etwa wenn die brave Mutter
(Alley Mills) erste zarte Schritte in Richtung Emanzipation macht. Das sind dann die hintergründigen, eher nachdenklichen Momente, die uns im Schwelgen im nie endenden Sommer, im Träumen zu den
Klängen von Van Morrison, Bob Dylan oder The Byrds kurz innehalten lassen. Und jetzt, da seit dem unvergesslichen Finale auch schon mehr als ein Vierteljahrhundert vergangen ist, geht es einem
als Zuschauer doch gleich wie damals am Ende dem unnachahmlichen Icherzähler, dessen letzte Worte die Erinnerungen an dieses wunderschöne Ereignis namens «The Wonder Years» und die damit
unauslöschlich verbundenen Erinnerungen perfekt fassen: «And the thing is, after all these years, I still look back ... with wonder.»