Waco

 

Diese Miniserie aus dem Jahr 2018 zeichnet detailgetreu eines der düstersten Kapitel in der jüngeren Geschichte der amerikanischen Strafverfolgungsbehörden nach: die 51 Tage dauernde Belagerung der Siedlung der sektenähnlichen Religionsgemeinschaft Branch Davidians in Waco, Texas, durch das FBI und das Bureau of Alcohol, Tobacco, Firearms, and Explosives (ATF) im Jahr 1993, die in einer Feuersbrunst und im Tod von 76 Gläubigen, darunter 25 Kinder, endete. Ursprünglich unverkennbar als Spielfilm geplant, weist der Sechsteiler zwar einige Längen auf; doch verschafft dies wiederum den durchweg hervorragenden Darstellern noch etwas Zusatzraum zur Entfaltung. Ganz besonders intensiv nutzen darf diesen der charismatische Taylor Kitsch («Friday Night Lights»), der in der Rolle des selbst ernannten Propheten und Sektenführers David Koresh nicht nur die beste Leistung seiner Karriere abliefert, sondern auch auf verblüffend viel Verständnis für seine umstrittene Figur seitens der Filmemacher zählen darf. Die von den Brüdern John Erick und Drew Dowdle konzipierte Serie geht die Sache nämlich von zwei Seiten an, sprich, sie beruht auf gleich zwei Tatsachenberichten: jenem des Überlebenden David Thibodeau, in der Serie gewohnt linkisch dargestellt von Rory Culkin; und jenem des FBI-Verhandlungsführers Gary Noesner, der von Michael Shannon verkörperten zweiten Hauptfigur in «Waco». Noesner ist es, der mit seiner besonnenen Art und in zähem Feilschen unnachgiebig das Schlimmste zu verhindern sucht; doch letztlich ist auch er machtlos: nicht so sehr gegen die frömmlerische Verblendung von Koresh und seiner mehrheitlich gar nicht mal so übergeschnappten Jünger (u.a. Andrea Riseborough, Paul Sparks, Julia Garner), wie die Dowdle-Brüder implizieren, sondern vielmehr gegen die tumben Cowboymethoden der Strafverfolgungsbehörden, denen hier Shea Wigham und Glenn Fleischler die markanteste Fratze und John Leguziamo als von Koresh in Versuchung Geführter ein menschliches Antlitz verleihen.

«Waco» stellt mithin nicht den Möchtegern-Messias Koresh an den prominentesten Pranger; die Branch Davidians werden als zwar krude, aber vergleichsweise harmlose Religionsgemeinschaft dargestellt, wo etwa sexuelle Kontakte (auch zu Minderjährigen) wohl dem polygamen Führer vorbehalten sein mögen, die letztendlich aber einfach ihre besinnliche Ruhe haben möchte und niemandem gross etwas zuleide tut. Die Dummen und Bösen sind hier stattdessen das FBI und das AFT: diese grobschlächtigen Rambos, die einfach nicht aus früheren Fehlern lernen wollen und dann auch noch das Blaue vom Himmel lügen, wenn einem Autounfall in Zeitlupe gleich das eingetroffen ist, was Intelligenz und Empirie diktiert hatten. Das ist natürlich nicht unproblematisch; und für ihren allzu pfleglichen Umgang mit Koresh hat die Serie auch einige Kritik einstecken müssen. Aber es eröffnet das eine sicherlich interessante neue Perspektive – nicht nur auf die katastrophalen Geschehnisse vom Frühjahr 1993 in Texas, sondern auch auf die uramerikanische Prämisse der Selbstbestimmung und die Religionsfreiheit. Von der Religionsskeptikerin über den Regierungshasser bis zum Radiophilosophen kommen hier denn auch Stimmen aus allen Richtungen zu Wort. Dass die Dowdle-Brüder darob und über den zusehends eskalierenden Ereignissen bisweilen die Orientierung verlieren, mindert zwar die Begeisterung über «Waco» ein wenig; aber Taylor Kitsch und Michael Shannon, Paul Sparks und Andrea Riseborough, Rory Culkin und Julia Garner, Shea Wigham und John Leguziamo holen dann die Kohlen garantiert aus dem Feuer.