Watergate

 

Gerade in diesen turbulenten Impeachment-Tagen ist die Monster-Doku von Oscar-Preisträger Charles Ferguson über den Krimi, der Präsident Richard Nixon zu Fall brachte, natürlich von ganz besonderer Relevanz. Und dass Ferguson, der in «No End in Sight» (2007) den Irak-Krieg und in «Inside Job» (2010) die Finanzkrise auf so kluge wie unaufgeregte und also gar nicht Michael-Moore-mässige Weise durchleuchtete, die Parallele zur Gegenwart sucht, macht er denn auch bereits im Untertitel klar: «How We Learned to Stop an Out of Control President». Den Namen des jetzigen Amtsinhabers nimmt hier freilich niemand in den Mund. Stattdessen wird, gestützt auf 3400 Stunden Tonaufnahmen, Stapeln von inzwischen freigegebenen Geheimpapieren und tonnenweise Archivaufnahmen, in allergrösster Faktentreue und -vielfalt dieser wohl bestdokumentierte politische Skandal der Geschichte nochmals vor uns ausgebreitet – bis dass uns die Kinnlade runterfällt. Damit uns ob all der Namen und Daten, die da in milchigen Siebziger-Fernsehaufnahmen entwirrt und aufgedröselt werden, nicht bald auch schon die Augen zufallen, hat sich Ferguson einen recht gewagten Trick ausgedacht: die Nachstellung kritischer Abschnitte in den geheimen Tonaufnahmen aus dem Oval Office mittels echter Schauspieler. Das hat dann zwar durchaus den gewünschten auflockernden Effekt; weil die Darsteller aber derart wenig Ähnlichkeit mit den echten Protagonisten aufweisen und insbesondere Nixon-Darsteller Douglas Hodge viel zu dick aufträgt, erweist sich das auch als Achillesferse des Films. Für den geneigten Watergate-Enthusiasten hält dieser zwar keinerlei neue Erkenntnisse bereit; dafür darf er den Anspruch auf definitive Vollständigkeit erheben – auch weil er alle zur Verfügung stehenden relevanten Zeitzeugen aufbietet und diese ihre Sicht der Dinge rekapitulieren lässt. Und eben: Da sind diese Gemeinsamkeiten mit der Gegenwart. Wobei es bisweilen fast interessanter ist, sich der Unterschiede zu heute gewahr zu werden: etwa dass sich die Leute damals noch von Fakten überzeugen liessen; oder der Seriosität, mit der die Presse zu Werke gehen durfte; der Loyalität der Politiker, die letztlich ihrem Land und nicht ihrer Partei galt; oder der aus heutiger Sicht verblüffenden Tatsache, dass die Watergate-Untersuchungen die Öffentlichkeit lange Zeit eher kaltliessen, da Nixon halt auch ein sehr erfolgreicher Politiker war, der bei seiner Wiederwahl in 49 von 50 Bundesstaaten triumphiert hatte und der durchaus auch von edlen Motiven (Weltfrieden! Nukleare Abrüstung!) geleitet war. Dass der Film Letzteres leichthin mit politischem Kalkül abtut, ist nicht nur arg populistisch, sondern – falls ernst gemeint – auch reichlich naiv und zeugt von diesem irrationalen Verlangen nach totaler Verteufelung, an dem so viele Abhandlungen über diesen zutiefst makelbehafteten, aber facettenreichen Mann und Politiker kranken, der auf ewig ein Mysterium bleiben wird.

Diese wenigen Schwächen seien «Watergate» aber nachgesehen, zumal Ferguson ansonsten wohltuend nüchtern bleibt und darüber hinaus auch noch einen hervorragenden Job macht, die Geschehnisse politisch und zeitgeschichtlich akkurat einzubetten. Und wenn er in den letzten der 260 erschöpfenden, zermürbenden und dabei so erhellenden Minuten seines Films Nixons durchaus rührende Abschiedsrede würdigt, schimmert gar etwas Mitleid mit dem unerbittlichen, nun aber endgültig geschlagenen Kämpfer durch: diesem brillanten, aber paranoiden politischen Geist, der nach heutigen Standards gleichzeitig konservativ und liberal war und am Ende doch von beiden Seiten gehasst wurde und vielerorts noch immer wird; diesem wandelnden Widerspruch, der alle privaten und politischen Widrigkeiten überwand und doch nie seine inneren Dämonen zum Verstummen bringen konnte. Doch Mitleid, so viel ist klar, wäre das Letzte, was Richard Nixon gewollt hätte. Und so kennt dieser harte, aber grösstenteils faire Film letztlich dann doch kein Pardon mit dem «Crook», der «Tricky Dick» letzten Endes eben doch (auch) war. Eine Frage nur bleibt er dann doch schuldig: wie man denn einen Präsidenten stoppt, der sich nie je unter Kontrolle hatte.